Ort der Angst (German Edition)
euch eine schöne Zeit, geht schick essen, was auch immer!“
Oliver betrachtete das zerknautschte Geld und räusperte sich.
„Das kann ich nicht annehmen. Das sind umgerechnet locker 500 Euro!“
Paul reckte das Kinn. „Willst du mich beleidigen?“
Oliver blickte in die rotgeäderten Augen seines Vaters. „Also schön!“ Gehorsam steckte er das Geld ein und bedankte sich. Bevor er sich verabschiedete, gab er seinem Vater einen Zettel mit dem Namen des Hotels und seiner Zimmernummer.
Sobald sein Sohn außer Sichtweite war, verriegelte Paul die Tür und ging zurück ins Nebenzimmer. Sofort brach die Flut seines Kummers erneut über ihn herein. Dass er Oliver derart belügen musste, verursachte ihm zusätzlichen Schmerz. Doch die Vorstellung, vom eigenen Sohn für einen Totalversager gehalten zu werden, konnte er noch weniger ertragen. Seit Monaten hatte er nichts als Pech. Was auch immer er anpackte, misslang! Schließlich waren seine Schulden derart angewachsen, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als das Haus zu verkaufen. Marias Vorschlag, sein Hobby zum Beruf zu machen und die heruntergekommene Tauchschule zu übernehmen, schien der letzte Ausweg zu sein. Paul ließ sich in den Stuhl sacken und zog die Schublade seines Schreibtisches auf. Eine Tequilaflasche rollte ihm entgegen. Er nahm sie heraus und füllte sein abgegriffenes Glas. Dabei schwappte etwas über den Rand und sickerte auf Unterlagen, die ihm einst wichtig erschienen. Er hob die Hand, um die Tropfen fortzuwischen, ließ sie aber gleich wieder sinken und nahm stattdessen einen Schluck. Auf ein paar Spritzer mehr neben den ganzen Ringen, die er in den letzten Tagen auf seinen Papieren hinterlassen hatte, kam es jetzt auch nicht mehr an. Was seine Seele befleckte, wog viel schwerer. Paul füllte nach, hielt das Gefäß an seine Stirn und starrte hinein, als versuche er, etwas darin zu erkennen. Seine Finger schlossen sich eng um das Glas und verkrampften sich, bis es brach. Durch den Schmerz aus seiner Lethargie gerissen, sprang Paul auf und stieß heftige Verwünschungen gegen sich selbst aus. Langsam bog er die Finger seiner verletzten Hand auseinander. Die Splitter steckten tief im Fleisch. Als er sie herauszog, schoss ihm das Blut regelrecht entgegen. Paul biss die Zähne zusammen und goss frischen Alkohol auf die Wunden. Zischend sog er die Luft ein. Dann tränkte er ein Taschentuch mit noch mehr Tequila und umschloss es mit der Faust. Ein Gemisch aus Blut und Mezcal sickerte zwischen seinen Fingern hindurch. Pauls Beine drohten nachzugeben und er setzte sich wieder. Beim Anblick des Blutes kam ihm ein Gedanke. Mach weiter! Eine Sekunde lang war er versucht, nach den Scherben zu greifen. Dann dachte er an Oliver und schüttelte sich. Er musste die grässlichen Bilder aus seinem Kopf vertreiben, die ihn seit Tagen heimsuchten. Er fürchtete sich vor dem Schlaf und den Dingen, die er mit sich brachte; Träume, die so fremdartig waren, als seien sie einem anderen Verstand entsprungen. Wenigstens für ein paar Stunden wollte Paul vergessen. Er setzte die Flasche an und trank.
Kapitel 15
Gitarrenmusik erfüllte die nächtliche Tropenluft und mischte sich mit dem Stimmengewirr der Restaurantgäste, während die vier jungen Leute die Gläser ihrer Longdrinks mit einem kristallenen Klirren zusammenstießen, um Paul Sandner hochleben zu lassen.
„Auf den Mann, dem wir diesen wundervollen Abend zu verdanken haben!“
„Und der leider nicht dabei sein kann“, ergänzte Anna und fischte nach ihrem Strohhalm.
„Wirklich schade!“, sagte Melanie an Oliver gewandt. „Ich bin schon sehr gespannt, deinen Vater kennenzulernen. Scheint ein interessanter Mann zu sein!“
„Und solvent obendrein! Schließlich haben wir das Abendessen ihm zu verdanken!“ Robert lehnte sich zurück und breitete die Arme auf der Rückenlehne der Eckbank aus, wobei er Melanie streifte. Die warf ihm einen giftigen Seitenblick zu und rutschte an die vorderste Kante ihres Platzes.
„Ich finde es wesentlich aufregender, dass er einen Tauchclub hat. Ist das nicht klasse? Wir könnten doch eine Tour durch eine dieser berühmten Unterwasserhöhlen machen!“ Melanies Augen leuchteten vor Begeisterung. Oliver blickte skeptisch drein und stellte seinen Drink ab.
„Du bist schon mal getaucht? Wusste ich gar nicht!“
„Nein, bisher nicht! Aber dein Vater kann uns bestimmt Ausrüstung leihen und zeigen, was wir machen müssen, oder? Wird schon nicht so
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