Ort des Grauens
Kalifornien -oder das BI bundesweit -hinter Mister Blau her ist, und wir müssen alles wissen, was sie über ihn zusammengetragen haben, egal, wie banal es auch sein mag.«
Lee lächelte. Die Zähne in seinem messingfarbenen Gesicht sahen aus wie Stifte aus auf Hochglanz poliertem Elfenbein. »Das bedeutet, daß ich mich nicht auf die öffentlich zugänglichen Akten in ihren Computern beschränken kann. Ich muß also die Sicherheitssperren umgehen, bei einer Dienststelle nach der anderen, bis hinauf zum FBI.«
»Schwierig?«
»Sehr. Aber ich habe ja ein paar Erfahrungen.« Er schobdie Ärmel seines Jacketts weiter zurück, bog die Finger durch und wandte sich dem Keybord des Terminals zu wie ein Konzertpianist, der sich darauf vorbereitet, Mozart zu spielen. Er zögerte und warf Julie einen Seitenblick zu. »Ich werde mich indirekt in ihre Systeme einschleichen, um eine Rückverfolgung zu erschweren. Ich werde weder Daten zerstören, noch die nationale Sicherheit beeinträchtigen, also wird vermutlich niemand etwas merken. Falls mich aber jemand beim Schnüffeln erwischt und mir nachspürt, ohne daß ich was davon merke, könnte man Ihnen die Lizenz entziehen.«
»Ich werde mich opfern, die Schuld auf mich nehmen. Bobbys Lizenz wird aber nicht eingezogen werden, so daß der Agentur nichts passieren kann. Wie lange werden Sie brauchen?«
»Vier, fünf Stunden, vielleicht länger, vielleicht viel länger. Kann mir jemand was zum Mittagessen besorgen? Ich esselieber hier und lege keine Pause ein.«
»Sicher. Was möchten Sie denn?« »Big Mac, doppelte Portion Pommes frites, Vanille-Milchshake.«
Julie verzog das Gesicht. »Wie kommt's, daß ein High-Tech-Typ wie Sie noch nie was von Cholesterol gehört hat?«
»Hab' davon gehört. Stört mich nicht. Wenn wir niemals wirklich sterben, kann das Cholesterol mich nicht umbringen. Es kann schlimmstenfalls dafür sorgen, daß ich dieses Leben ein wenig früher hinter mir lasse.«
43
Archer van Corvaire zog das Rollo auseinander und spähte durch die dicken, kugelsicheren Scheiben der Eingangstür zu seinem Laden in Newport Beach. Argwöhnisch blickte er Bobby und Clint an, obwohl er sie kannte und erwartete. Schließlich entriegelte er die Tür und ließ die beiden ein.
Van Corvaire war ungefähr fünfundfünfzig, investierte aber eine Menge Zeit und Geld in die Aufrechterhaltung einer jugendlichen Erscheinung. Um der Zeit ein Schnippchen zu schlagen, hatte er sich Hautabschleifungen und Gesichtsstraffungen unterzogen und sich Liposome einspritzen lassen. Um der Natur auf die Sprünge zu helfen, hatte er seine Nase richten, die Wangen implantieren und das Kinn neu formen lassen. Er trug ein so perfektes Toupet, daß man das Haar für sein echtes, schwarzgefärbtes hätte halten können, hätte er die Illusion nicht selbst dadurch zerstört, daß er nicht nur auf einen Ersatz, sondern auf einer zu üppigen, unnatürlichen Frisur a la Madame Pompadour bestanden hatte. Sollte er jemals mit diesem Toupet in einen Swimmingpool springen, würde es herausragen wie der Turm eines U-Bootes.
Nachdem er die beiden Sicherheitsriegel wieder vorgelegt hatte, wandte er sich an Bobby. »Ich schließe niemals Geschäfte am Morgen ab. Ich nehme nur Nachmittagstermine an.«
»Wir wissen zu schätzen, daß Sie für uns eine Ausnahme gemacht haben«, sagte Bobby.
Van Corvaire seufzte ausgiebig.
»Nun, um was geht's?«
»Ich habe da einen Stein, den ich gerne von Ihnen taxiert haben möchte.«
Er blinzelte, was ihn nicht eben ansprechend aussehen ließ, da säne Augen ohnehin schon so nahe beieinander standen wie bei einem Frettchen. Bevor er vor dreißig Jahren seinen Namen geändert hatte, war er John Spleener einer, der einen Spleen hat - gewesen, und damals hätte ihm ein Freund sagen sollen, daß er wirklich wie einer aussah, der einen Spleen hat, wenn er die Augen so argwöhnisch zusammenkniff, und überhaupt nicht wie ein van Corvaire. »Eine Schätzung? Mehr wollen Sie nicht?«
Er führte sie durch den kleinen, aber luxuriösen Verkaufsraum: handverputzte Stuckdecke, Velourstapeten, Eichenböden, im Verkaufsraum ein Teppich von Patterson, Flynn & Martin in pfirsichfarbenen, blaßblauen und Sandsteintönen; ein modernes weißes Sofa, flankiert von Wurzelholztischen von Bau; vier elegante Rattansessel um einen runden Tisch mit Glasplatte, die so dick war, daß sie auch einen Schlag mit dem Holzhammer schadlos überstehen würde.
Links stand eine kleine
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