Ort des Grauens
Ausstellungsvitrine. Van Corvaires Verkaufsgespräche fanden ausschließlich nach vorheriger Vereinbarung statt. Seine Schmuckstücke waren nach den persönlichen Wünschen der sehr Reichen und Geschmacklosen gestaltet - Leute, die es für nötig hielten, ein Halsband für hunderttausend Dollar zu kaufen, um zu einem Wohltätigkeitsdinner zu gehen, bei dem das Gedeck tausend Dollar kostete, und niemals die Ironie der Angelegenheit begriffen. Die Rückwand war komplett verspiegelt, und van Corvaire betrachtete sich auf dem ganzen Weg durch den Raum mit offensichtlichem Vergnügen. Er nahm kaum einmal den Blick von seinem Spiegelbild, bis er durch die Tür zum Arbeitszimmer trat.
Bobby fragte sich, ob der Kerl wohl irgendwann mal so hingerissen sein würde von seinem eigenen Abbild, daß er versehentlich hineinrannte. Er mochte Jim Bob van Corvaire nicht, doch das Wissen um Edelsteine und Juwelen, das sich der narzißtische Schnüffler angeeignet hatte, war manchmal sehr nützlich.
Vor Jahren, als Dakota & Dakota Investigations nur Dakota Investigations gewesen war, ohne das Et-Zeichen, hat te Bobby van Corvaire geholfen, ein Vermögen an ungefaßten Edelsteinen zurückzuerhalten, die ihm eine Geliebte gestohlen hatte. Der alte Jim Bob wollte seine Steine unbedingt zurück, wollte aber nicht, daß die Frau in den Knast wanderte. Deshalb hatte er sich an Bobby gewandt, statt zur Polizei zu gehen. Das war die einzige Schwachstelle, die Bobby jemals bei van Corvaire entdeckt hatte. Und in den Jahren, die zwischen diesem Vorfall und heute lagen, hatte der Juwelier gewiß auch darüber eine Hornhaut wachsen lassen.
Bobby fischte einen der roten Steine aus seiner Tasche. Er war etwa so groß wie eine Murmel. Die Augen des Juweliers weiteten sich augenblicklich.
Van Corvaire setzte sich auf einen hohen Stuhl an der Werkbank, Clint stellte sich neben ihn, und Bobby schaute ihm von hinten über die Schulter, während der Juwelier den Stein durch die Lupe betrachtete. Dann legte er ihn auf die beleuchtete Glasplatte unter ein Mikroskop und studierte ihn noch einmal genau.
»Nun?« fragte Bobby.
Der Juwelier gab keine Antwort. Er stand auf, drängte sich an den beiden Männern vorbei und ging zu einem anderen Stuhl an der Werkbank. Dort legte er den Stein auf eine Waagschale, um ihn zu wiegen, und dann auf eine andere, um zu sehen, ob sein spezifisches Gewicht dem irgendwelcher anderer Edelsteine entsprach.
Schließlich eilte er zu einem dritten Stuhl, der vor einem Schraubstock stand, zog aus einer Schublade ein Schmuckkästchen, in dem drei große geschliffene Edelsteine auf einem Quadrat blauen Samts lagen.
»Ausschußdiamanten«, erklärte er.
»Ich finde sie sehen nicht nach Ausschuß aus«, sagte Bobby.
»Zu viele Einschüsse.«
Er wählte einen dieser Steine aus und spannte ihn mit ein paar Drehungen der Kurbel in den Schraubstock ein. Vorsichtig griff er die rote Schönheit mit einer Zange und versuchte, mit einer der schärferen Kanten die polierte Oberfläche des Diamanten im Schraubstock zu zerkratzen. Man konnte sehen, daß er sich erhebliche Mühe gab und kräftig aufdrückte. Dann legte er die Zange mit dem roten Stein beiseite, nahm eine andere Lupe zur Hand, beugte sich vor und betrachtete den Ausschußdiamanten genau.
»Ein schwacher Kratzer«, sagte er. »Diamant schneidet Diamant.« Er hielt den roten Stein zwischen Daumen und Zeigefinger, starrte ihn mit sichtlicher Faszination an -und mit Gier. »Wo haben Sie den her?«
»Kann ich Ihnen nicht sagen«, erwiderte Bobby und fragte enttäuscht: »Also ist es nur ein roter Diamant?«
»Nur? Der rote Diamant ist höchstwahrscheinlich der seltenste Edelstein auf der Welt! Sie müssen mir erlauben, ihn für Sie auf den Markt zu bringen. Ich habe Klienten, die jede Summe zahlen würden, um diesen Stein als Mittelstein eines Halsbandes oder eines Anhängers zu erhalten. Für einen Ring ist er wahrscheinlich zu groß, selbst wenn er geschliffen ist. Er ist riesig!«
»Was ist er wert?« fragte Clint.
»Vor dem Feinschliff kann man das unmöglich sagen. Aber sicherlich Millionen.«
»Millionen?« fragte Bobby zweifelnd. »Er ist groß, aber nicht so groß.«
Van Corvaire riß sich schließlich los von dem Stein und schaute zu Bobby auf. »Sie haben's nicht begriffen. Bis zum heutigen Tag gibt es auf der ganzen Welt nur sieben rote Diamanten. Dies hier ist der achte. Und wenn er geschliffen und poliert ist, wird er wohl der zweitgrößte sein. Das
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