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Ort des Grauens

Ort des Grauens

Titel: Ort des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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um Geld zu sparen, und nachdem wir alle Angestellten beisammen hatten, blieb für uns beide nur noch ein einziges Büro, was ja auch in Ordnung ist. In dem Raum gäbe es genug Platz für zwei Schreibtische, doch du sagst, du willst keinen. Schreibtische findest du zu steif, zu förmlich. Alles, was du brauchst, so sagst du, ist eine Couch, auf der du beim Telefonieren liegen kannst, doch wenn uns Klienten besuchen, sitzt du immer auf meinem Schreibtisch.«
    »Julie ...«
    »Preßholz ist hart, die Oberfläche ist fast unempfindlich, aber früher oder später wird sie einen Abdruck deines Hinterns tragen, wenn du weiterhin soviel Zeit auf meinem Schreibtisch verbringst.«
    Weil sie nicht länger in den Spiegel schaute, hatte er sich ebenfalls von ihm abwenden müssen, um sie anzusehen. »Hast du eigentlich nicht zugehört, als ich dir von meinem Traum erzählte?«
    »Versteh mich nicht falsch. Du hast einen niedlichen Po, Bobby, aber ich möchte seinen Abdruck trotzdem nicht auf meinem Schreibtisch. Die Stifte würden ja ständig in die Mulde rollen. Der Staub könnte sich darin sammeln.«
    »Was ist hier eigentlich los?«
    »Ich wollte dich nur warnen, daß ich überlege, ob ich die Platte nicht verkabeln lassen sollte, so daß ich den Schreibtisch durch ein einziges Umlegen des Schalters unter Strom setzen kann. Wenn du dann auf ihm sitzt, wirst du erfahren, wie einer Fliege zumute ist, wenn sie sich auf einem dieser elektrischen Fliegenfänger niederläßt.«
    »Du spielst die Schwierige, Julie. Warum tust du das?«
    »Frustration. Es gab letztlich keine bösen Buben, die ich schnappen und fertigmachen mußte. Da bin ich gereizt.« »He, warte mal. Du spielst gar nicht die Schwierige.« »Natürlich nicht.« »Du spielst   mich!«   »Genau.« Sie küßte ihn auf die rechte Wange und gab ihm  einen Klaps auf die linke. »Laß uns jetzt wieder rausgehen  und den Fall übernehmen.«
    Sie öffnete die Tür und verließ den Waschraum.
    »Ich freß' einen Besen«, sagte Bobby amüsiert und folgte  ihr ins Büro. Frank Pollard sprach leise mit Clint, schwieg aber augenblicklich und schaute hoffnungsvoll auf, als sie eintraten.
    In den Ecken türmten sich Schatten wie Mönche in einem Kloster, und der bernsteinfarbene Schein der drei Lampen erinnerte sie irgendwie an das funkelnde und geheimnisvolle Licht einer Reihe von geweihten Kerzen in einer Kirche.
    Das Häufchen aus scharlachroten Edelsteinen glänzte immer noch auf dem Schreibtisch.
    Der Käfer, im Tod zusammengekrümmt, war immer noch  in dem Einmachglas.
    »Hat Clint Ihnen unsere Preisstaffelung erklärt?« fragte sie Pollard.
    »Ja.«
    »Okay. Zusätzlich werden wir für notwendige Auslagen zehntausend Dollar Vorschuß brauchen.«
    Draußen verunstalteten Blitze die Bäuche der Wolken. Der trübe Himmel barst, und kalte Regentropfen knallten gegen die Fensterscheiben.

26
    Violet war seit mehr als einer Stunde wach, und fast in dieser ganzen Zeit war sie ein Falke gewesen, war weit oben durch die Luft gesaust und dann und wann niedergestoßen, um Beute zu machen. Das weite Himmelszelt war ihr fast ebenso vertraut wie dem Raubvogel, in dessen Körper sie sich häuslich niedergelassen hatte. Sie nutzte die Thermik, um zu gleiten, die Luft leistete den schnittigen Außenkantenihrer Flügel kaum Widerstand. Über ihr waren nur die sich senkenden grauen Wolken, und unter ihr kauerte sich spielzeugklein - die Erde zusammen.
    Sie war sich jedoch auch des schattigen Schlafzimmers bewußt, in dem ihr Körper und ein Teil ihres Geistes zurückgeblieben waren. Violet und Verbina schliefen gewöhnlich tagsüber, denn die Nacht zu verschlafen, würde bedeuten, den besten Teil des Tages zu vergeuden. Sie teilten sich in einem der Räume im zweiten Stock ein Doppelbett. Und sie lagen nie mehr als eine Armlänge voneinander entfernt, wenn sie nicht - wie meist - ineinander verschlungen waren.
    An diesem Montagnachmittag schlief Verbina noch, nackt, auf dem Bauch liegend, den Kopf von ihrer Schwester abgewandt. Gelegentlich murmelte sie etwas in ihr Kopfkissen. Es waren keine Wörter. Ihre warme Flanke preßte sich gegen Violet. Selbst dann, wenn Violet in dem Falken war, war sie sich der Körperwärme, der glatten Haut, des rhythmischen Atmens, schläfrigen Murmelns und charakteristischen Geruchs ihrer Zwillingsschwester bewußt. Sie nahm auch den Staub in dem Raum wahr und den muffigen, schlechten Geruch der Bettwäsche, die lange nicht mehr gewaschen worden war - und

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