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orwell,_george_-_tage_in_burma

Titel: orwell,_george_-_tage_in_burma Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kopf, ohne Hut, mit gelbem Haar, das wie das eines Jungen kurzgeschnitten war. Und er konnte ihre eine Hand auf seinem Arm sehen. Sie war lang, schlank, jung, mit dem gesprenkelten Handgelenk eines Schulmädchens. Es war mehrere Jahre her, daß er so eine Hand gesehen hatte. Er wurde sich des weichen, jungen Körpers bewußt, der sich an seinen preßte, und der Wärme, die er ausströmte ; wobei etwas in ihm aufzutauen und sich zu erwärmen schien.
    »Alles in Ordnung, sie sind fort«, sagte er. »Sie brauchen vor nichts mehr Angst zu haben. «
    Das Mädchen erholte sich von ihrem Schreck und trat etwas von ihm zurück, die Hand noch auf seinem Arm. »Mir fehlt nichts«, sagte sie. »Es ist nichts passiert. Ich bin nicht verletzt. Sie haben mich nicht angerührt. Nur so gräßlich ausgesehen.«
    »Sie sind im Grunde ganz harmlos. Ihre Hörner sitzen so weit hinten, daß sie Sie nicht aufspießen können. Es sind sehr dumme Viecher. Sie benehmen sich nur so kämpferisch, wenn sie gekalbt haben.«
    Sie standen jetzt getrennt, und sofort überkam sie eine leichte Verlegenheit. Flory hatte sich bereits zur Seite gewandt, um sie die Wange mit dem Muttermal nicht sehen zu lassen. Er sagte:
    »Ich muß schon sagen, das ist eine verrückte Art, sich kennenzulernen! Ich habe noch nicht einmal gefragt, wie Sie hierher gekommen sind. Woher sind Sie gekommen - wenn es nicht unhöflich ist, danach zu fragen?«
    »Ich bin gerade aus dem Garten meines Onkels gekommen. Es war so ein schöner Morgen, da dachte ich, ich würde einen Spaziergang machen. Und dann kamen diese schrecklichen Tiere mir nach. Ich bin nämlich ganz neu in diesem Land.«
    »Ihr Onkel? Ach, natürlich! Sie sind Mr. Lackersteens Nichte. Wir haben gehört, daß Sie erwartet werden. Nun, wollen wir nicht hier heraus und auf den Platz? Irgendwo muß ein Weg sein. Was für ein Anfang für Sie - Ihr erster Morgen in Kyauktada! Sie werden einen sehr schlechten Eindruck von Burma haben, fürchte ich.«
    »Ach nein; es ist nur alles ziemlich fremd. Wie dicht dieses Gebüsch ist! Alles irgendwie verfilzt und fremdländisch. Hier kann man sich im Nu verirren. Ist das der sogenannte Dschungel?«
    »Buschdschungel. Burma ist größtenteils Dschungel - ein grünes, unfreundliches Land, finde ich. Wenn ich Sie wäre, würde ich nicht durch dieses Gras gehen. Die Samen bleiben in Ihren Strümpfen hängen und fresse n sich dann weiter in die Haut.«
    Er ließ das Mädchen vor sich hergehen, da er sich freier fühlte, wenn sie sein Gesicht nicht sehen konnte. Sie war ziemlich groß für ein Mädchen, schlank, und sie trug einen fliederfarbenen Baumwollkittel. Nach der Art, wie sie ihre Gliedmaßen bewegte, konnte sie nicht viel über zwanzig sein. Er hatte ihr Gesicht noch nicht betrachtet, hatte nur gesehen, daß sie eine Brille mit Schildpattrand trug und daß ihr Haar so kurz war wie das seine. Er hatte noch nie eine Frau mit kurzgeschnittenem Haar gesehen außer in illustrierten Zeitschriften.
    Als sie auf den Platz hinauskamen, trat er neben sie, und sie wandte ihm ihr Gesicht zu. Es war ein ovales Gesicht mit zarten, regelmäßigen Zügen; vielleicht nicht schön, aber hier in Burma, wo alle Engländerinnen gelb und mager sind, kam es ihm schön vor. Er wandte den Kopf mit einer scharfen Wendung zur Seite, obwohl sie sein Muttermal nicht bemerken konnte. Er konnte es nicht ertragen, daß sie sein zermürbtes Gesicht aus nächster Nähe sah. Er schien die welke Haut um die Augen zu fühlen wie eine Wunde. Aber ihm fiel ein, daß er sich heute morgen rasiert hatte, und das ermutigte ihn. Er sagte:
    »Ich muß schon sagen, Sie müssen doch nach dieser Geschichte ein bißchen mitgenommen sein. Wollen Sie mit zu mir kommen und sich ein paar Minuten ausruhen, bevor Sie nach Hause gehen? Es ist auch ziemlich spät, um ohne Hut draußen herumzulaufen.«
    »Oh, vielen Dank, gern«, sagte das Mädchen. Sie konnte nichts von indischen Vorstellungen von Schicklichkeit wissen, dachte er. »Ist das Ihr Haus?«
    »Ja. Wir müssen vorn herum gehen. Ich werde Ihnen einen Sonnenschirm geben lassen. Diese Sonne ist gefährlich für Sie mit Ihrem kurzen Haar.«
    Sie gingen den Gartenweg hinauf. Flo sprang um sie herum und versuchte, auf sich aufmerksam zu machen. Fremde Orientalen bellte sie immer an, aber sie liebte den Geruch von Europäern. Die Sonne wurde stärker. Eine Welle von Duft wie nach schwarzen Johannisbeeren ging von den Petunien neben dem Weg aus, und eine der Tauben flatterte

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