orwell,_george_-_tage_in_burma
ihre Brille auf.
»Ich fürchte, ein englisches Mädchen ist für diese Leute etwas ziemlich Neues«, sagte er. »Sie haben nichts Böses im Sinn. Geht weg!« fügte er ärgerlich hinzu und winkte den Leuten, woraufhin sie verschwanden.
»Wissen Sie, ich glaube, ich sollte gehen, wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte das Mädchen. Sie war aufgestanden. »Ich bin schon ziemlich lange weg. Vielleicht wundern sie sich, wo ich so lange bleibe.«
»Müssen Sie wirklich? Es ist noch ganz früh. Ich werde dafür sorgen, daß Sie nicht barhäuptig durch die Sonne gehen müssen.
»Ich sollte wirklich - « fing sie wieder an.
Sie brach mit einem Blick auf die Tür ab. Ma Hla May trat auf die Veranda heraus.
Ma Hla May trat näher, die Hand auf der Hüfte. Sie war aus dem Haus getreten mit einer gelassenen Miene, die ihr Recht, hier zu sein, geltend machte. Die beiden Mädchen standen einander keine zwei Meter entfernt gegenüber.
Kein Gegensatz hätte seltsamer sein können; die eine leicht gefärbt wie eine Apfelblüte, die andere dunkel und auffallend mit fast metallischem Glanz auf ihrem Zylinder von ebenholzschwarzem Haar und der lachsfarbenen Seide ihres Ingyi. Flory dachte, daß er bisher nie bemerkt hatte, wie dunkel Ma Hla Mays Gesicht war und wie fremdländisch ihr kleiner, steifer Körper, gerade wie ein Soldat, ohne jegliche Kurve außer der vasenähnlichen Wölbung ihrer Hüften. Er stand völlig unbeachtet an der Verandabrüstung und beobachtete die beiden Mädchen. Fast eine Minute lang konnte keine den Blick von der anderen wende n; aber welche das Schauspiel grotesker, unglaubhafter fand, kann man nicht sagen.
Ma Hla May drehte den Kopf zu Flory um, die bleistiftdünnen schwarzen Brauen zusammengezogen. »Wer ist diese Frau?« fragte sie mürrisch.
Er antwortete so lässig, als gäbe er einem Diener einen Befehl:
»Scher dich augenblicklich fort. Wenn du Schwierigkeiten machen solltest, werde ich nachher einen Bambusstock nehmen und dich so lange schlagen, bis du keine heile Rippe mehr hast.«
Ma Hla May zögerte, zuckte die schmalen Achseln und verschwand. Und die andere, die ihr nachstarrte, fragte neugierig: »War das ein Mann oder eine Frau?«
»Eine Frau«, sagte er. »Die Frau eines Dieners, glaube ich. Sie wollte nach der Wäsche fragen, weiter nichts.«
»Oh, sehen burmanische Frauen so aus? Sie sind wirklich komische kleine Geschöpfe. Ich habe eine Menge von ihnen auf meiner Fahrt im Zuge gesehen, aber wissen Sie, ich habe sie alle für Jungen gehalten. Sie sehen genau wie Gliederpuppen aus Holz aus, finden Sie nicht?«
Sie bewegte sich jetzt zu den Verandastufen hin; für Ma Hla May interessierte sie sich nicht mehr, nun da diese verschwunden war.
Er hielt sie nicht zurück, denn Ma Hla May wäre durchaus fähig gewesen, nochmals aufzutreten und eine Szene zu machen. Nicht daß das viel ausmachte, denn keines der Mädchen kannte die Sprache der anderen. Er rief Ko S’la, und der kam mit einem großen Schirm aus Ölseide mit Bambusrippen. Er spannte ihn respektvoll am Fuß der Verandatreppe und hielt ihn über den Kopf des Mädchens, als sie herunterkam. Flory begleitete sie bis zum Tor. Sie blieben stehen, um sich die Hand zu reichen, und er wandte sich in dem grellen Sonnenlicht ein wenig zur Seite, um sein Muttermal nicht sehen zu lassen.
»Mein Mann hier wird Sie heimbegleiten. Es war so liebenswürdig von Ihnen, daß Sie hereingekommen sind. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie es mich freut, Sie kennengelernt zu haben. Sie werden für uns hier in Kyauktada alles ganz anders machen.«
»Auf Wiedersehen, Mr. - oh, wie komisch! Ich weiß nicht einmal, wie Sie heißen.«
»Flory, John Flory. Und Sie - Miss Lackersteen, nicht wahr?« »Ja. Elizabeth. Auf Wiedersehen, Mr. Flory. Und vielen,
vielen Dank. Dieser schreckliche Büffel. Sie haben mir wirklich das Leben gerettet.«
»Nicht der Rede wert. Ich hoffe Sie heute abend im Club zu sehen? Ich nehme an, Ihr Onkel und Ihre Tante werden auch hinkommen. Dann also auf Wiedersehen - bis später.«
Er stand am Tor und sah ihnen nach. Elizabeth - ein schöner Name, heutzutage zu selten. Hoffentlich schrieb sie es mit einem Z. Ko S’la trot tete in komischem, unbequemem Gang hinter ihr her, hielt ihr den Schirm über den Kopf und bemühte sich, seinen Körper möglichst weit weg von ihr zu halten. Ein kühler Windhauch wehte den Hügel herauf. Es war eine dieser kurzen Böen, die manchmal bei kaltem Wetter in Burma wer weiß woher kommen
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