orwell,_george_-_tage_in_burma
Bobäumen an der Basarstraße nieder, um deren Beeren zu fressen.
Inzwischen hatte Flory Ma Hla May hinausgeworfen. Eine häßliche, schmutzige Sache! Er hatte einen
ausreichenden Vorwand - sie hatte sein goldenes Zigarettenetui gestohlen und bei Li Yeik, dem chinesischen Krämer und illegalen Pfandleiher im Basar, verpfändet - aber trotzdem war es nur ein Vorwand. Flory wußte sehr wohl, und Ma Hla May wußte es und auch alle Dienstboten, daß er sie wegen Elizabeth loswerden wollte. Wegen der »Ingaleikma mit dem gefärbten Haar«, wie Ma Hla May sie nannte.
Ma Hla May machte zunächst keine heftige Szene. Sie stand mürrisch zuhörend dabei, als er ihr einen Scheck über hundert Rupien ausschrieb - Le Yeik oder der indische Chetty im Basar nahm Schecks an - und ihr sagte, daß sie entlassen sei. Er schämte sich mehr als sie; er konnte ihr nicht ins Gesicht sehen, und seine Stimme wurde flach und schuldbewußt. Als der Ochsenkarren kam, um ihre Habseligkeiten abzuholen, schloß er sich ins Schlafzimmer ein und hielt sich dort versteckt, bis die Szene vorüber war.
Karrenräder knirschten auf der Auffahrt, man hörte Männer schreien; dann plötzlich brach ein fürchterliches Geschrei aus. Flory ging hinaus. Am Tor im Sonnenschein war ein großes Ringen im Gange. Ma Hla May klammerte sich an den Torpfosten, und Ko S’la bemühte sich, sie hinauszubefördern. Sie wandte Flory ihr von Wut und Verzweiflung verzerrtes Gesicht zu und kreischte immer wieder: »Thakin! Thakin! Thakin! Thakin! Thakin! « Es tat ihm im Herzen weh, daß sie ihn nach ihrer Entlassung noch immer Thakin nannte.
»Was gibt es?« fragte er.
Anscheinend handelte es sich um einen falschen Zopf, den sowohl Ma Hla May als auch Ma Yi beanspruchte. Flory gab Ma Yi den Zopf und entschädigte Ma Hla May mit zwei Rupien. Dann ruckelte der Karren davon, Ma Hla May saß aufrecht und verstockt zwischen ihren beiden Weidenkörben und streichelte ein Kätzchen auf ihren Knien. Erst vor zwei Monaten hatte er ihr das Kätzchen zum Geschenk gemacht.
Ko S’la, der sich Ma Hla Mays Entlassung seit langem gewünscht hatte, war jetzt doch nicht so ganz erfreut. Er war sogar noch weniger erfreut, als er seinen Herrn zur Kirche gehen sah - oder zu der ›englischen Pagodes‹ wie er es nannte - , denn Flory war an dem Sonntag, als der Padre ankam, noch in Kyauktada und ging mit den anderen zur Kirche. Die Gemeinde bestand aus zwölf Personen, darunter Mr. Francis, Mr. Samuel und sechs christliche Eingeborene, und Mrs. Lackersteen spielte ›Herr, bleibe bei mir‹ auf dem kleinen Harmonium mit einem lahmen Pedal. Flory war zum erstenmal seit zehn Jahren in der Kirche, Beerdigungen ausgenommen. Ko S’las Vorstellungen von den Vorgängen in der ›englischen Pagode‹ waren äußerst vage; aber er wußte, daß Kirchenbesuch Ehrbarkeit bedeutete und Ehrbarkeit war etwas, das er wie alle Dienstboten von Junggesellen, bis ins Mark haßte.
»Da ist Unheil im Anzug«, sagte er niedergeschlagen zu den anderen Dienern. »Ich habe ihn in den letzten zehn Tagen beobachtet. Er raucht nur noch fünfzehn Zigaretten pro Tag, er hat aufgehört, vor dem Frühstück Gin zu trinken, er rasiert sich jeden Abend - obwohl er glaubt, ich merke es nicht, der Narr. Und er hat ein halbes Dutze nd neue seidene Hemden bestellt! Ich mußte den Dirzi überwachen und ihn Bahinchut nennen, damit sie zur Zeit fertig wurden. Böse Vorzeichen! Ich gebe ihm noch drei Monate, dann ist es aus mit dem Frieden in diesem Haus!«
»Was, wird er heiraten?« fragte Ba Pe.
»Das glaube ich bestimmt. Wenn ein weißer Mann in die englische Pagode geht, so ist das, wie man sagen könnte, der Anfang vom Ende.«
»Ich habe in meinem Leben viele Herren gehabt«, sagte der alte Sammy. »Der schlimmste war Oberst Wimpole Sahib, der wie s seine Ordonnanz an, mich über den Tisch zu legen, und dann kam er von hinten angerannt und trat mich mit sehr schweren Stiefeln, weil ich zu oft Bananenbeignets servierte. Ein anderes Mal, als er betrunken war, schoß er mit seinem Revolver durch das Dach des Dienerhauses, direkt über unsere Köpfe weg. Aber ich würde lieber zehn Jahre bei Oberst Wimpole Sahib dienen als eine Woche bei einer Memsahib mit ihrem Gefeilsche. Wenn unser Herr heiratet, gehe ich noch am selben Tag.«
»Ich werde nicht gehen, denn ich bin seit fünfzehn Jahren sein Diener. Aber ich weiß, was uns bevorsteht, wenn diese Frau kommt. Sie wird uns anschreien wegen ein bißchen Staub auf den
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