orwell,_george_-_tage_in_burma
Möbeln und uns nachmittags, wenn wir schlafen, wecken, damit wir ihr Tee bringen, und immerzu im Küchenhaus herumschnüffeln und sich über schmutzige Töpfe und Kakerlaken in der Mehlkiste beklagen. Meiner Ansicht nach liegen diese Frauen nachts wach und denken darüber nach, auf welche neue Art sie ihre Diener schikanieren können.«
»Sie führen ein kleines rotes Buch«, sagte Sammy, »in das sie das Basargeld eintragen, zwei Annas für dies, vier Annas für das, so daß man kein bißchen daran verdient. Sie machen mehr Gefeilsche wegen des Preises einer Zwiebel als ein Sahib wegen fünf Rupien.«
»Ach, als ob ich das nicht wüßte! Sie wird schlimmer sein als Ma Hla May. Weiber!« setzte er mit einem zusammenfassenden Seufzer hinzu.
Der Seufzer fand ein Echo bei den anderen, selbst bei Ma Pu und Ma Yi. Keine faßte Ko S’las Bemerkungen als Kritik an ihrem eigenen Geschlec ht auf, denn Engländerinnen werden als eine andere, eigentlich nicht einmal menschliche Rasse betrachtet, so schrecklich, daß die Heirat eines Engländers für gewöhnlich für jeden Dienstboten im Haus das Signal für Flucht ist, auch für diejenigen, die seit Jahren bei ihm gewesen sind. X
Aber Ko S’las Befürchtungen waren verfrüht. Nach zehn Tagen war Flory Elizabeth noch kaum nähergekommen als bei der ersten Begegnung. Der Zufall wollte es, daß er sie in diesen zehn Tagen fast für sich allein hatte, da die me isten Europäer im Dschungel waren. Flory selbst hatte kein Recht, in Kyauktada herumzubummeln, denn zu dieser Jahreszeit war die Holzgewinnung voll im Gange, und unter dem unfähigen europäischen Aufseher würde in seiner Abwesenheit alles schief gehen. Aber er war geblieben - unter dem Vorwand eines Fieberanfalls - , während fast täglich verzweifelte Briefe von dem Aufseher über Katastrophen berichteten. Einer der Elefanten war krank, die Lokomotive der kleinen Bahn, mit der die Teakstämme zum Fluß geschafft wurden, war total kaputt, fünfzehn Kulis waren davongelaufen. Aber Flory zögerte immer noch, außerstande, sich von Kyauktada loszureißen, solange Elizabeth da war, und beständig in dem - bisher nicht sehr erfolgreichen - Bestreben, die ungezwungene und beglückende Freundschaft ihrer ersten Begegnung wieder einzufangen.
Zwar trafen sie sich täglich, vormittags und abends. Jeden Abend spielten sie im Club ein Einzeltennis - denn Mrs. Lackersteen war zu schlapp und Mr. Lackersteen zu reizbar dazu - , und hinter her saßen sie zu viert im Salon, spielten Bridge und unterhielten sich. Aber obgleich Flory Stunden in Elizabeths Gesellschaft verbrachte und sie oft allein miteinander waren, fühlte er sich dabei nie wohl. Sie unterhielten sich, solange es um Belangloses ging, mit äußerster Freiheit und waren doch einander fern wie Fremde. Er fühlte sich in ihrer Gegenwart steif, er konnte sein Muttermal nicht vergessen: sein zweimal geschabtes Kinn brannte, sein Körper verlangte quälend nach Whisky und Tabak - denn er versuchte, in ihrer Gegenwart weniger zu trinken und zu rauchen. Nach zehn Tagen schienen sie der Beziehung, die er sich wünschte, nicht nähergekommen zu sein.
Denn irgendwie hatte er nie so zu ihr sprechen können, wie er es sich wünschte. Sprechen, einfach sprechen! Es klingt nach so wenig und ist doch so viel. Wer bis in die mittleren Jahre hinein in bitterer Einsamkeit verbracht hat, unter lauter Leuten, denen seine eigene wahre Meinung Blasphemie bedeutet, dem wird das Bedürfnis, sich einmal auszusprechen, zum größten aller Bedürfnisse.
Doch mit Elizabeth schien ein ernstes Gespräch unmöglich. Es war, als ständen sie unter einem Zauber, der all ihre Gespräche in Banalität absinken ließ; Grammophonplatten, Hunde, Tennisschläger - dieses ganze trostlose Clubgeschwätz. Sie schien über nichts anderes sprechen zu wollen. Er brauchte nur ein irgendwie interessantes Thema zu berühren, und gleich nahm ihre Stimme den ausweichenden Ton an, das ›da mach ich nicht mit‹. Ihr Geschmack in Büchern entsetzte ihn, als er darauf kam. Aber sie war jung, sagte er sich, und hatte sie nicht in Paris unter Platanen gesessen und Weißwein getrunken und sich über Proust unterhalten? Später würde sie ihn zweifellos verstehen und ihm die Gefährtin sein, die er brauchte. Vielleicht lag es nur daran, daß er ihr Zutrauen noch nicht gewonnen hatte.
Er war alles andere als taktvoll zu ihr. Wie alle Männer, die viel allein gelebt haben, konnte er sich besser Ideen anpassen als
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