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Oryx und Crake

Oryx und Crake

Titel: Oryx und Crake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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waren. Warum hatte er sie so leichtfertig verlassen? Weil er sich auf die Nächste in der Reihe gefreut hatte. Aber die Frau vom Vorstellungsgespräch bei AnooYou, in die er solche Hoffnungen gesetzt hatte, ward nie mehr gesehen, und die anderen Frauen, denen er begegnete, sei es im Büro oder in den AnooYou-Bars, waren entweder zielstrebige Haie oder emotional so ausgehungert, dass sogar Jimmy ihnen auswich, als wären sie Sumpfgebiete. Er musste sich darauf beschränken, mit Kellnerinnen zu flirten, und selbst die zeigten ihm die kalte Schulter. Sie hatten eloquente Jünglinge wie ihn schon oft gesehen und wussten, dass er keinerlei Status besaß.
    Im Firmencafe war er der Neuling, wieder mal allein, wieder mal am Start. Er begann, SoyOBoy-Burger im Einkaufszentrum des Komplexes zu essen oder eine fettige Schachtel mit Chickie-Nobs-Happen zu futtern, während er an seinem Computer Überstunden schob. Jede Woche gab es ein geselliges Grillfest, ein Auftrieb der Herde, dem beizuwohnen, von allen Angestellten erwartet wurde. Diese Veranstaltungen brachten Jimmy jedes Mal in Bedrängnis. Ihm fehlte die Kraft, sich durch die Menge zu schieben und mit jedem ein paar harmlose Worte zu wechseln. Er gammelte am Rande herum und knabberte an einem angebrannten Sojawürstchen und zog schweigend über jedermann in seinem Blickfeld her. Hängetitten, hieß es in der Gedankenblase in seinem Kopf. Semmelgesichtiges Tofuhirn.
    Daumenlutschender Posterbubi. Eisblume. Würde seine Großmutter verkaufen. Kuh mit Schwabbelhintern. Blasenköpfiger Depp.
    Gelegentlich erhielt er eine E-Mail von seinem Vater; eine E-Geburtstagskarte vielleicht, ein paar Tage nach seinem eigentlichen Geburtstag, irgendwas mit tanzenden Organschweinen drauf, als ob er noch elf wäre. Herzlichen Glückwunsch, Jimmy, hoffentlich erfüllen sich alle deine Träume. Ramona schrieb ihm pflichtbewusste Plauderbriefe: Immer noch kein Brüderchen für ihn, sagte sie dann, aber sie »arbeiteten daran«. Er verspürte kein Verlangen, sich die hormontriefenden, gelverschmierten Einzelheiten solcher Arbeit vorzustellen. Falls nicht bald etwas »Natürliches« geschehen sollte, sagte sie, würden sie »etwas anderes« probieren bei einer der Agenturen – Infantade, Foetility, Perfectababe, eine von denen. Die Dinge hatten sich in diesem Bereich stark verändert, seit Jimmy auf die Welt gekommen war! ( Auf die Welt gekommen, als ob er nicht wirklich geboren worden, sondern nur mal eben so auf Besuch vorbeigekommen wäre.) Sie stellte ihre
    »Nachforschungen« an, weil sie natürlich das Beste für ihr Geld wollten.
    Fantastisch, dachte Jimmy. Sie werden ein paar Probeläufe machen, und wenn die Kinder nicht den Erwartungen entsprechen, wird man sie um der Ersatzteile willen recyceln, bis sie endlich etwas finden, das allen ihren Anforderungen entspricht – perfekt in jeder Hinsicht, nicht nur ein Mathegenie, sondern auch schön wie der junge Tag. Dann würden sie dieses hypothetische Wunderkind mit ihren aufgeblähten Erwartungen voll stopfen, bis der arme Junge platzte. Jimmy beneidete ihn nicht.
    (Er beneidete ihn.)
    Ramona lud Jimmy ein, mal Urlaub bei ihnen zu machen, aber er hatte keine Lust hinzufahren, also schob er zu viel Arbeit vor. Was gewissermaßen auch der Wahrheit entsprach, weil er den Job mittlerweile als eine Herausforderung ansah: Wie unverschämt konnte man im Bereich sinnloser Wortneuschöpfungen werden und trotzdem noch Lob einheimsen?

    Nach einer Weile wurde ihm eine Beförderung gewährt. Nun konnte er sich neues Spielzeug kaufen. Er besorgte sich einen besseren DVD-Spieler, einen Trainingsanzug, der sich über Nacht mit Hilfe Schweiß fressender Bakterien selbst reinigte, ein Hemd, das seine E-Mails auf dem Ärmel anzeigte und ihm einen kleinen Schubs gab, wenn er eine Nachricht bekommen hatte, Schuhe, deren Farbe sich veränderte, um sich seinem Aufzug anzupassen, einen sprechenden Toaster. Na ja, so hatte er Gesellschaft. Jimmy, dein Toast ist fertig. Er bekam eine bessere Wohnung.
    Jetzt da er auf der Leiter kletterte, fand er eine Frau, und dann noch eine, und wieder eine nach dieser. Er betrachtete diese Frauen nicht mehr als Freundinnen: Inzwischen waren sie seine Geliebten. Sie waren allesamt verheiratet oder etwas Entsprechendes, suchten nach einer Gelegenheit, es hinter dem Rücken ihrer Ehemänner oder Partner zu treiben, um zu beweisen, dass sie noch jung waren, oder um Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Oder aber sie waren verletzt

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