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Oryx und Crake

Oryx und Crake

Titel: Oryx und Crake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Blick war derselbe: dieselbe Mischung aus Unschuld und Verachtung und Begreifen. Es machte ihn schwindlig, unsicher auf den Beinen, als ob er am Rand einer Klippe über einer felsigen Schlucht stünde und als ob es gefährlich für ihn wäre, hinunterzuschauen.

Haltlos
    Die CorpSeCorps-Leute hatten Jimmy nie aus den Augen verloren.
    Während seiner Zeit bei Martha Graham hatten sie ihn regelmäßig herbeizitiert, vier Mal im Jahr, zu kleinen Gesprächen, wie sie es nannten. Sie stellten ihm immer dieselben Fragen, die sie schon ein Dutzend Mal gestellt hatten, nur um zu sehen, ob sie dieselben Antworten bekamen. Ich weiß es nicht, war das Sicherste, was Jimmy zu sagen einfiel, und das kam meistens auch der Wahrheit am nächsten.
    Nach einer Weile hatten sie angefangen, ihm Bilder zu zeigen –
    Standaufnahmen versteckter Knopflochkameras oder Schwarz-Weiß-
    Bilder, die aussahen, als ob man sie von Überwachungskameras an Bankautomaten in Plebsland heruntergeladen hatte, oder Material von Nachrichtensendern über dies und jenes: Demonstrationen, Krawalle, Exekutionen. Es ging darum, ob er irgendeins der Gesichter erkannte.
    Sie hatten ihn stets verkabelt, so dass sie, selbst wenn er Unwissenheit vortäuschte, die Spitzen seiner elektrischen Hirnströme registriert hätten. Die konnte er nicht kontrollieren. Er wartete darauf, dass die Happicuppa-Geschichte in Maryland auftauchte, die, in der seine Mutter vorkam – ihm graute davor –, aber sie tauchte nicht auf.
    Er hatte seit langer Zeit keine Postkarten aus dem Ausland mehr erhalten.

    Nachdem er bei AnooYou angefangen hatte, schienen die Corps-Männer ihn vergessen zu haben. Aber nein, sie ließen ihm nur mehr Leine – sie schauten, ob er oder aber die andere Seite, das heißt, seine Mutter, seine neue Stellung, seine Extraportion Freiheit, ausnutzen würde, um den Kontakt wieder aufzunehmen. Nach einem Jahr oder so kam das vertraute Klopfen an der Tür. Er wusste immer, dass sie es waren, weil sie nie erst die Gegensprechanlage benutzten, sie mussten irgendeinen Nachschlüssel haben, von der Türkombination ganz zu schweigen. Hallo, Jimmy, wie geht’s, wir müssen dir nur ein paar Fragen stellen, mal sehen, ob du uns hier nicht ein bisschen helfen kannst.
    Klar, gerne.
    Guter Junge.
    Und so lief es dann ab.
    In – welchem? – seinem fünften Jahr bei AnooYou kamen sie endlich auf ihre Kosten. Er hatte zu dem Zeitpunkt bereits ein paar Stunden lang ihre Bilder angeschaut. Aufnahmen irgendeines Hinterlandkriegs in irgendeinem trockenen Gebirge jenseits des Ozeans, mit Nahaufnahmen von toten Söldnern, männlich und weiblich; dann eine Gruppe von Helfern, die von den Hungernden in einer jener Hungersnöte weit weg verprügelt wurden; dann eine Reihe von aufgespießten Köpfen – das war im ehemaligen Argentinien, sagten die CorpSeCorps-Leute, obwohl sie nicht sagten, wessen Köpfe das waren oder wie es kam, dass sie aufgespießt waren. Dann Bilder von Frauen, die eine Supermarktkasse passierten, alle mit Sonnenbrillen. Dann ein Dutzend Körper, am Boden liegend, nach einer Razzia auf ein konspiratives Haus der Gottesgärtner
    – diese Bewegung war inzwischen verboten –, und eine davon sah seiner ehemaligen Mitbewohnerin tatsächlich sehr ähnlich, der brandstifterischen Bernice. Er sagte das auch, um als guter Junge dazustehen, und man klopfte ihm auf die Schulter, aber ganz offensichtlich war ihnen das bereits bekannt, denn sie zeigten kein Interesse. Er hatte ein schlechtes Gewissen wegen Bernice: Sie war eine Chaotin gewesen und eine Nervensäge, aber sie hatte es nicht verdient, auf diese Art umzukommen.
    Eine Reihe von Verbrecherfotos aus einem Gefängnis in Sacramento.
    Das Foto aus dem Führerschein eines Autobomben-Selbstmordattentäters. (Aber wenn der Wagen in die Luft geflogen war, wie waren sie an den Führerschein gekommen?) Drei schlüpferlose Kellnerinnen aus einem Sexclub in Plebsland – das nahmen sie so zum Spaß mit rein, und es löste tatsächlich ein Schlingern auf dem Neurobildschirm aus, wäre auch unnatürlich gewesen, wenn nicht, und Grinsen und Lachen in der ganzen Runde. Jimmy erkannte eine der Krawallszenen aus einer Neuverfilmung von Frankenstein wieder. Sie bauten immer ein paar solcher Tricks ein, damit er bei der Sache blieb.
    Dann weitere erkennungsdienstliche Fotos. Nee, sagte Jimmy, nee, nee, nichts.
    Dann kam etwas, was wie eine normale Exekution aussah. Kein Herumkaspern, kein Ausbrechen von Gefangenen, keine

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