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Oryx und Crake

Oryx und Crake

Titel: Oryx und Crake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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nach der Hott-Totts-Site ab, in der Hoffnung, etwas Vertrautes würde ihm helfen, sich weniger einsam zu fühlen, aber es gab sie nicht mehr.
    Er trank inzwischen allein, abends, ein schlechtes Zeichen. Er hätte das nicht tun sollen, es deprimierte ihn bloß, aber er musste irgendwie den Schmerz lindern. Welchen Schmerz? Den Schmerz der wunden Stellen, der beschädigten Membrane, mit denen er gegen die Große Gleichgültigkeit des Universums geknallt war. Ein einziges großes Haifischmaul, das Universum. Eine Reihe rasiermesserscharfer Zähne nach der anderen.
    Er wusste, dass er dabei war, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
    Alles in seinem Leben war flüchtig, ohne Fundament. Die Sprache selbst hatte ihre Festigkeit verloren; sie war dünn geworden, zufällig, schlüpfrig, eine glitschige Schicht, auf der er herumschlitterte wie ein Augapfel auf einem Teller. Allerdings ein Augapfel, der immer noch sehen konnte. Das war das Problem.
    Er hatte sich selbst als sorglos in Erinnerung, früher, in seiner Jugend.
    Sorglos, dickhäutig, jemand, der leichten Fußes über Oberflächen federte, im Dunkeln pfiff, in der Lage war, sich überall durchzuschlagen. Jemand, der wegschaute. Nun ertappte er sich dabei, wie er zurückzuckte. Selbst die kleinsten Rückschläge bekamen große Bedeutung – eine verlorene Socke, eine blockierte elektrische Zahnbürste. Selbst Sonnenaufgänge blendeten ihn. Es war, als riebe ihn jemand mit Schmirgelpapier ab. »Reiß dich zusammen«, wies er sich selbst an. »Lern, damit umzugehen. Lass die Sache hinter dir. Schau nach vorne. Verpass dir ein neues Ich.«
    Diese positiven Sprüche. Dieses seichte Gereiher aus der Motivationswerbung. Was er wirklich wollte, war Rache. Aber an wem und wofür? Selbst wenn er die Kraft dafür hätte, selbst wenn er sich konzentrieren und ein Ziel setzen könnte, wäre es zwecklos gewesen.

    An den schlimmsten Abenden rief er Alex den Papagei an, der mittlerweile längst tot war, aber immer noch im Web herumspazierte und schwadronierte, und sah ihm zu, wie er seine Nummern abspulte.
    Dompteur: Welche Farbe hat der runde Ball, Alex? Der runde Ball?
    Alex, Kopf zur Seite, während er überlegt: Blau! Dompteur: Gut gemacht! Alex: Korknuss, Korknuss! Dompteur: Bitte schön! Dann wurde Alex ein junger Maiskolben gereicht, was nicht das war, um was er gebeten hatte, er hatte um eine Mandel gebeten. Das mit anzuschauen, trieb Jimmy Tränen in die Augen.
    Dann blieb er zu lange auf, und sobald er im Bett lag, starrte er zur Decke hoch und sagte seine Liste veralteter Wörter auf, um der Beruhigung willen, die in ihnen lag. Dibbuk, Aphasie, Holzpflug, Enigma, Passage. Wenn Alex der Papagei ihn gehört hätte, wären sie Freunde, wären sie Brüder. Er würde ihm mehr Worte beibringen.
    Grabgeläut. Landsknecht. Oh weh!
    Aber inzwischen lag in den Worten nichts Beruhigendes mehr. Es lag gar nichts in ihnen. Es machte Jimmy keine Freude mehr, im Besitz dieser kleinen Buchstabenansammlungen zu sein, die andere Leute vergessen hatten. Es war so, wie wenn man die eigenen Milchzähne in einer Schachtel hat.
    Kurz vor dem Einschlafen erschien eine Prozession vor seinen Augen, die aus den Schatten zu seiner Linken kam und sein Blickfeld kreuzte.
    Junge schlanke Mädchen mit kleinen Händen und Bändern in den Haaren, die Girlanden trugen, Girlanden aus vielfarbigen Blumen. Das Feld war immer grün, aber es handelte sich nicht um eine Schäferszene: Diese Mädchen waren in Gefahr und mussten gerettet werden.
    Irgendetwas – ein bedrohliches Wesen – war dort hinter den Bäumen.
    Oder vielleicht ging die Gefahr von ihm aus. Vielleicht war er die Gefahr, ein reißendes Tier, das aus der düsteren Höhle seines Schädels spähte.
    Oder es hätten die Mädchen selbst sein können, die gefährlich waren.
    Die Möglichkeit gab es natürlich auch immer. Sie stellten vielleicht einen Köder dar, eine Falle. Er wusste, sie waren viel älter, als sie zu sein schienen, und viel mächtiger obendrein. Anders als er besaßen sie eine rücksichtslose Weisheit.

    Die Mädchen waren ruhig, sie waren ernst und feierlich. Sie blickten ihn an, sie blickten in ihn hinein, sie erkannten ihn und akzeptierten ihn, akzeptierten seine dunklen Seiten. Dann lächelten sie.
    Oh Schatz, ich kenn dich. Ich seh dich. Ich weiß, was du willst.

Organschweine
    Jimmy ist in der Küche des Hauses, das sie bewohnten, als er fünf war, und sitzt am Tisch. Es ist Mittagszeit. Vor ihm auf dem Teller ist eine

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