Oryx und Crake
Scheibe Brot – darauf ein flacher Erdnussbutterkopf mit einem strahlenden Geleemund, Zähne aus Rosinen. Dieses Ding erfüllt ihn mit Grauen. Jeden Moment wird jetzt seine Mutter ins Zimmer kommen.
Aber nein, das wird sie nicht: Ihr Stuhl ist leer. Sie muss sein Essen gemacht und für ihn hingestellt haben. Aber wo ist sie hingegangen, wo ist sie?
Da ist ein kratzendes Geräusch; es kommt von der Wand. Es ist jemand auf der anderen Seite, gräbt sich durch die Wand, bricht ein. Er blickt zum betreffenden Teil der Wand, unterhalb der Uhr mit den verschiedenen Vögeln, die die Stunden angeben. Huhu, huhu, macht das Rotkehlchen. Das hatte er getan, er hatte die Uhr verstellt – die Eule sagt kuckuck, die Krähe sagt kiwitt, kiwitt. Aber die Uhr hatte es noch nicht gegeben, als er fünf war, die hatten sie später bekommen.
Irgendetwas stimmt nicht, die Zeit stimmt nicht, er kann nicht sagen, was es ist, er ist vor Angst gelähmt. Der Putz beginnt zu bröckeln, und er wacht auf.
Er hasst diese Träume. Die Gegenwart ist schlimm genug, ohne dass sich die Vergangenheit da hineinmischt. Lebe für den Augenblick. Er hatte das mal auf einen Gratiskalender gesetzt, es ging um irgendein getürktes, angeblich sexuell stimulierendes Produkt für Frauen. Warum den Körper an die Uhr ketten, zerbrich die Fußeisen der Zeit und so weiter und so fort. Auf dem Bild war eine Frau mit Flügeln zu sehen, die sich über einem Haufen alten, zerknitterten Stoffs erhob, vielleicht war es auch Haut.
Jetzt ist er also da, der Augenblick, dieser hier, der, für den man leben soll. Sein Kopf liegt auf einer harten Oberfläche, sein Körper ist in einen Sessel gezwängt, er besteht aus einem einzigen großen Krampf. Er streckt sich, schreit auf vor Schmerz.
Er braucht einen Moment, um sich zurechtzufinden. Ach ja – der Tornado, das Torhaus. Alles ist still, keine Windstöße, kein Heulen. Ist es immer noch derselbe Nachmittag oder Nacht oder der nächste Morgen? Es fällt Licht in den Raum, Tageslicht; es kommt durch das Fenster über dem Tresen, das kugelsichere Fenster mit der Gegensprechanlage, wo man einst, vor langer Zeit, sein Anliegen vortragen musste. Der Schlitz für die mikrokodierten Dokumente, die vierundzwanzig Stunden aktive Videokamera, der sprechende Kasten mit dem Lachgesicht, der einen durch die Frage-Antwort-Prozedur führte – der ganze Mechanismus ist buchstäblich in Stücke geschossen.
Möglicherweise Granateinschläge. Es liegt viel runtergefallener Schutt da.
Das Kratzen geht weiter: In der Ecke des Raumes ist irgendetwas. Er kann es zunächst nicht erkennen: Es schaut wie ein Schädel aus. Dann sieht er, es ist eine Landkrabbe, eine rundliche weiß-gelbe Schale so groß wie ein geschrumpfter Kopf, mit einer riesigen Schere. Sie ist dabei, ein Loch in der Wand zu erweitern. »Was zum Henker machst du denn hier drin?«, fragt er sie. »Du solltest doch draußen sein und die Gärten kaputtmachen.« Er wirft mit der leeren Bourbonflasche nach ihr, verfehlt sie; die Flasche geht zu Bruch. Wie dumm, so was zu machen, jetzt liegen Scherben herum. Die Landkrabbe fährt herum, um sich ihm zu stellen, die große Schere nach oben, dann kriecht sie rückwärts in ihr halb ausgehobenes Loch, wo sie sitzen bleibt und ihn beobachtet. Sie muss hier reingekrochen sein, um der Windhose zu entkommen, genau wie er, und jetzt findet sie nicht wieder raus.
Er windet sich aus dem Stuhl, schaut sich als Erstes nach Schlangen und Ratten und allem anderen Zeug um, auf das er lieber nicht treten will. Dann lässt er den Kerzenstummel und die Streichhölzer in seinen Plastiksack fallen und geht vorsichtig rüber zum Durchgang, der in den vorderen Empfangsraum führt. Er zieht die Tür hinter sich zu: Er will keinen Krabbenangriff von hinten.
An der äußeren Tür bleibt er stehen, um die Lage auszukundschaften.
Keine Tiere ringsum, abgesehen von einer Dreiergruppe Krähen, die auf dem Schutzwall hocken. Sie tauschen ein paar Krächzlaute aus, die wahrscheinlich ihn zum Thema haben. Der Himmel hat das perlfarbene Graurosa des frühen Morgens, kaum eine Wolke da oben. Die Landschaft hat sich verändert seit gestern: mehr Stücke abgerissener Blechverkleidung als vorher, mehr entwurzelte Bäume. Grünes Laub und zerfetzte Palmwedel liegen auf der schlammigen Erde herum.
Wenn er sich jetzt auf den Weg macht, stehen seine Chancen nicht schlecht, es zum Einkaufszentrum zu schaffen, bevor der halbe Vormittag vorbei ist. Obwohl sein Magen
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