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Oryx und Crake

Oryx und Crake

Titel: Oryx und Crake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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haben – zur Zerstörung der Umwelt und zu schlechter Ernährung führt.«
    Jimmy sagte, das höre sich an wie ein sehr langer Wunschzettel: Es war schon so viel in diesen Bereichen ausprobiert worden, und so viel war fehlgeschlagen. Crake lächelte: »Wenn’s nicht klappt, lies die Anleitung nochmal«, sagte er.
    »Das heißt?«
    »Das wahre Studium der Menschheit ist der Mensch.«
    »Das heißt?«
    »Man muss mit dem arbeiten, was auf dem Tisch ist.«
    Die BlyssPluss-Pille hatte ein Design, das eine Reihe von Gegebenheiten, zum Beispiel die Natur der menschlichen Natur, aufgriff und diese Gegebenheiten in eine sinnvollere Richtung steuerte, als sie bisher genommen hatten. Sie basierte auf der Erforschung des unglücklicherweise ausgestorbenen Pygmäen- oder Bonoboschimpansen, eines nahen Verwandten des Homo sapiens sapiens. Anders als die letztgenannte Spezies waren die Bonobos nicht partiell monogam mit polygamen und polyandrischen Tendenzen gewesen. Stattdessen waren sie uneingeschränkt promiskuitiv gewesen, kannten keine Paarbindung und hatten ihr Leben im Wachzustand größtenteils mit Kopulation zugebracht, sofern sie nicht mit Essen beschäftigt waren. Ihr speziesinterner Aggressionsfaktor war sehr niedrig gewesen.
    Was zum Konzept von BlyssPluss geführt hatte. Das Ziel war, eine einzige Pille herzustellen, die gleichzeitig:
    a) den Anwender vor allen bekannten Geschlechtskrankheiten, tödlichen, unangenehmen oder auch nur unansehnlichen, schützen würde;
    b) einen unbegrenzten Vorrat an Libido und sexueller Kraft liefern würde, gepaart mit einem allgemeinen Gefühl von Energie und Wohlbefinden, und die so die Frustration und das blockierte Testosteron verringern würde, das zu Eifersucht und Gewalt führte, auf die Art und Weise niedriges Selbstwertgefühl auslöschend;
    c) die Jugend verlängern würde.

    Diese drei Eigenschaften würden die Verkaufsargumente darstellen, sagte Crake; aber es würde noch ein viertes geben, das in der Werbung nicht auftauchte. Die BlyssPluss-Pille würde auch als eine todsichere Ein-für-alle-Mal-Antibabypille wirken, sowohl für Männer als auch für Frauen, und so automatisch die Bevölkerungszahl senken. Diese Wirkung könne rückgängig gemacht werden, wenn auch nicht für einzelne Personen, indem man die Komponenten der Pille je nach Bedarf abänderte, das heißt falls die Bevölkerungszahl eines bestimmten Gebietes zu sehr absank.
    »Also im Grunde sterilisierst du die Leute, ohne dass sie es wissen, indem du ihnen vormachst, sie bekämen die ultimative Orgie?«
    »Wenn du es so grob formulieren willst«, sagte Crake.
    Eine derartige Pille, sagte er, würde Nutzen in großem Maßstab nach sich ziehen, nicht nur für die einzelnen Anwender – obwohl sie diese ansprechen musste, sonst wäre sie auf dem Markt zum Scheitern verurteilt –, sondern für die Gesellschaft als Ganze; und nicht nur für die Gesellschaft, sondern für den Planeten. Die Investoren seien sehr scharf darauf, es sollte ein globales Projekt werden. Das Ganze habe nur Vorteile. Es gebe überhaupt keine Nachteile. Er, Crake, sei begeistert davon.
    »Ich wusste gar nicht, dass du so altruistisch bist«, sagte Jimmy. Seit wann war Crake zum Cheerleader der Menschheit geworden?
    »Es ist genau genommen nicht Altruismus«, sagte Crake. »Eher Friss oder stirb. Ich habe die jüngsten vertraulichen Corps-Berichte zur Demographie gesehen. Als Spezies gesehen stecken wir tief in der Krise, schlimmer als öffentlich zugestanden wird. Die haben Angst, die Statistiken rauszulassen, weil die Leute einfach aufgeben könnten, aber du kannst mir glauben, uns geht die Raum-Zeit aus. Die Nachfrage nach Rohstoffen hat in geopolitischen Randgebieten das Angebot schon seit Jahrzehnten überstiegen, daher die Hungersnöte und die Trockenheiten; aber bald wird die Nachfrage das Angebot für alle übersteigen. Mit der BlyssPluss-Pille wird die Menschheit eine größere Überlebenschance haben«.

    »Woraus errechnest du das?« Vielleicht hätte Jimmy den zusätzlichen Drink nicht nehmen sollen, er war nicht mehr ganz klar im Kopf.
    »Weniger Leute, also reicht es für mehr.«
    »Was, wenn diese wenigeren Leute sehr gierig und verschwenderisch sind?«, sagte Jimmy. »Das ist nicht unmöglich.«
    »Werden sie nicht sein«, sagte Crake.
    »Habt ihr dieses Zeug schon?«, sagte Jimmy. Er begann, die Möglichkeiten zu sehen. Hochkarätigen Sex ohne Ende, ohne Folgen.
    Wenn er so darüber nachdachte, konnte auch seine Libido

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