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Oryx und Crake

Oryx und Crake

Titel: Oryx und Crake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Frühstücksfleisch, wenn Fortuna ihm hold ist. Einen Lastwagen voll Alk. In den Komplexen hatten sie es sich ja gut gehen lassen und auf nichts verzichtet, hatten immer noch das gesamte Angebot an Waren und Dienstleistungen, während sonst überall Mangel herrschte.
    Er steht auf, reckt sich, kratzt rund um die verschorften alten Stiche am Rücken – sie fühlen sich an wie Zehennägel am falschen Ort –, dann geht er den Pfad hinter seinem Baum entlang und hebt die leere Scotch-Flasche auf, die er in der Nacht auf die Hunölfe hinuntergeschleudert hat. Er schnuppert sehnsüchtig daran, dann wirft er sie und die Sveltana-Dose auf seinen Haufen leerer Behälter, wo ein Schwarm zügelloser Fliegen Feste feiert. Manchmal hört er nachts die Wakunks in seinem privaten Abfall scharren, wenn sie zwischen den Überresten der Katastrophe nach Essbarem wühlen, wie er selbst es schon oft getan hat und bald wieder tun wird.
    Dann macht er sich an die Vorbereitungen. Er bindet sein Laken neu, legt es sich über die Schultern, zieht den überhängenden Stoff zwischen den Beinen hindurch und steckt ihn durch die gürtelartige Stoffbahn auf der Vorderseite und knotet schließlich seinen letzten Schokoriegel in eine Ecke ein. Er findet einen Stock, lang und halbwegs gerade. Er beschließt, nur eine Flasche Wasser mitzunehmen: Höchstwahrscheinlich wird er unterwegs auf Wasser stoßen. Wenn nicht, wird das Nachmittagsgewitter genügend Pfützen hinterlassen.
    Er wird Crakes Kindern sagen müssen, dass er unterwegs ist, damit sie ihn nicht etwa vermissen und sich auf die Suche nach ihm machen. Sie könnten in Gefahr geraten oder sich verirren. Trotz ihrer irritierenden Qualitäten – zu denen er ihren naiven Optimismus, ihre offenherzige Freundlichkeit, ihre Ruhe und ihr beschränktes Vokabular zählt – fühlt er sich als ihr Beschützer. Ob absichtlich oder nicht, sie wurden in seiner Obhut zurückgelassen und haben einfach keine Ahnung. Keine Ahnung, zum Beispiel, wie unzulänglich seine Obhut in Wahrheit ist.
    Den Stock in der Hand, im Geist die Geschichte einübend, die er ihnen erzählen will, geht er den Pfad entlang zu ihrem Lager. Sie nennen ihn den Fischpfad, weil sie ihn jede Woche gehen, um Schneemensch seinen Fisch zu bringen. Der Pfad folgt der Grenze zwischen Wald und Strand, bleibt aber im Schatten; trotzdem findet Schneemensch ihn zu hell und zieht sich die Baseball-Mütze tief ins Gesicht, um die Sonnenstrahlen abzuhalten. Er pfeift, als er näher kommt, wie immer, um sie auf sein Erscheinen hinzuweisen. Er will sie nicht erschrecken, ihre Höflichkeit strapazieren, die Grenze ihres Territoriums überschreiten, ohne eingeladen zu sein – und womöglich jäh aus dem Gebüsch hervorbrechen, wie irgendein grotesker Exhibitionist, der sich Schulkindern zeigt.
    Sein Gepfeife ist wie eine Lepraglocke: eine Warnung, damit sich alle, die keinem Krüppel begegnen wollen, beizeiten zurückziehen können.
    Obwohl er nicht ansteckend ist: Was er hat, können sie nie bekommen.
    Sie sind immun gegen ihn.

Schnurren
    Die Männer verrichten ihr Morgenritual. Sie stehen im Abstand von jeweils zwei Metern und bilden eine lange geschwungene Linie bis in den Wald hinein. Den Blick nach außen gerichtet, wie die Moschusochsen, die Schneemensch auf Bildern gesehen hat, pinkeln sie entlang der unsichtbaren Linie, die ihr Revier markiert. Ihre Mienen sind ernst, der Bedeutung der Aufgabe angemessen. Schneemensch fühlt sich an seinen Vater erinnert, wenn der morgens aus dem Haus ging, die Aktentasche in der Hand, die Stirn in gewichtige Wir-schaffen-das-Falten gelegt.

    Die Männer tun das zwei Mal am Tag, wie sie es gelernt haben: Es ist notwendig, das Volumen konstant zu halten und den Duft stets zu erneuern. Crakes Vorbild dafür waren die Hunde- und Marderartigen, auch ein paar andere Familien und Spezies. Das Setzen von Duftmarken sei ein weit verbreitetes Verhalten bei Säugetieren, sagte er, und nicht nur bei Säugetieren: auch manche Reptilien, verschiedene Eidechsen…
    »Vergiss die Eidechsen«, sagte Jimmy.
    Crakes Behauptung zufolge – und Schneemensch hat bisher keinen Beweis für das Gegenteil gefunden – sind die dem Urin der Männer einprogrammierten chemischen Substanzen ein wirksames Abwehrmittel gegen Hunölfe und Wakunks, in geringerem Maß auch gegen Luxkatzen und Organschweine. Die Hunölfe und Luxkatzen reagieren auf den Geruch ihrer eigenen Art und stellen sich offenbar einen riesigen Hunolf oder Luxkater

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