Osama (German Edition)
zu spielen. Gespräche, soweit es welche gegeben hatte, wurden wieder aufgenommen. Der Barkeeper brachte eine Flasche und ein Glas und stellte beides kommentarlos neben Rick. Der füllte erst Joes und dann sein eigenes Glas.
»Was wissen Sie über Mos Tod, Mr. Rick?«
Keine Reaktion bei dem Mann – ein kaum merkliches Lächeln, ein Kopfschütteln. »Ich hab ihm geraten zu verschwinden, er wollte nicht hören. Einmal tot, zweimal tot – wen kümmert das.«
»Mich.«
»Dann sind Sie ein Dummkopf.«
Dazu fiel Joe nichts ein, und er ging darüber hinweg. »Was wissen Sie über Schlangenköpfe, Mr. Rick?«
»Ich weiß, dass es sie nicht gibt.«
»Nicht einmal Mike Longshott?«
Ein Treffer. Ricks Lächeln verschwand wie Mos Leiche. »Vergessen Sie’s, Detektiv. Hören Sie auf, Regenbogen nachzujagen.«
Er dachte an die Frau, wünschte sich plötzlich mit einer schmerzenden Verzweiflung, sie zu sehen. »Wissen Sie, wo ich ihn finden kann?«
»Nein.«
»Das kam ja wie aus der Pistole geschossen.«
»Zufällig ist es die Wahrheit.«
Eine Intuition, der Joe folgte. »Aber Sie haben versucht, es rauszufinden.«
»Ich riskiere für niemanden den Kopf, Herr Detektiv.«
»Was haben Sie im Castle gefunden?«
Sichtbare Reaktion – Rick umklammerte das Whiskyglas zu fest. Von seiner zitternden Zigarette fiel Asche zu Boden.
»Nichts.«
»Was haben Sie denn gehofft zu finden?«
»Was wollen Sie?«
Joe sagte: »Antworten.«
Rick hob das Glas, gewann sein Lächeln wieder. »Also: auf Antworten«, sagte er.
»Warum?«, fragte Joe, nachdem sie getrunken hatten.
»Warum was?«
»Warum das alles?« Eine Handbewegung, die das ganze Blue Note einschloss, den Barkeeper, das Klavier, die Gäste. Rick zuckte die Schultern. »Jeder braucht irgendwas«, sagte er. Er stand auf, um zu gehen. Lautes Pochen an der Tür, von außen. Rick spannte sich an. »Entschuldigen Sie mich«, sagte er.
Joe folgte ihm zur Tür, spürte eine Hand auf der Schulter, blieb stehen.
Er konnte sie kaum sehen. Ein Umriss, die Andeutung einer Gestalt. Sie sagte: »Joe …« und sonst nichts.
Er sagte: »Ich bin am Ball.«
Einen Moment lang schien sie zu lächeln. Sie beugte sich zu ihm. Der Eindruck von Lippen, die seine berührten – er schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, war sie weg.
Lautes Klopfen an der Tür. Aufgeregte Menschen. Rick mit großen Schritten auf ihn zukommend. Rick: »Sie müssen gehen.«
Joe: »Warum …«, Frage unvollendet.
Rick: »Das KGG. Die will ich hier nicht haben.«
»Was wollen die denn?«
Doch die Antwort wusste er bereits.
Rick: »Sie.«
Noch eine Intuition, der er augenblicklich folgte: »Sie haben eine Vereinbarung mit denen.«
Rick, wütend: »Ich versuche nur, über die Runden zu kommen.«
Joe: »Ich weiß. Sie riskieren für niemanden den Kopf.« Ein schwaches Lächeln. Rick versetzte ihm einen Schlag.
Joe fiel rückwärts, schmeckte Blut. Rick: »Verschwinden Sie. Es gibt einen Hinterausgang. Kommen Sie. Schnell.«
Joe folgte. An der Bar vorbei, dann eine kleine Tür. Dahinter: ein schmaler Gang, leer. Das einzige Licht kam von Straßenlaternen, Gitter an den Fenstern, ein Kreuzmuster aus Schatten fiel herein. Eine weitere Tür, ein Raum, so leer wie der Gang, eine Künstlergarderobe hinter der Bar, ohne Requisiten und ohne Künstler. Noch eine Tür, noch ein Gang – eine letzte Tür, nach draußen auf eine Gasse. Mülltonnen ohne Müll, an den Wänden Graffiti – We’ll meet again some sunny day.
»Gehen Sie«, sagte Rick. Joe drehte sich um, sah ihn im Türrahmen stehen. »Sie werden bald durch sein. Ich kann sie nicht aufhalten. Sehen Sie zu, dass Sie dann weit genug weg sind.«
Joe: »Warum helfen Sie mir?«
Rick schüttelte den Kopf. »Ich will keinen Ärger. So ist es am einfachsten.«
Joe: »Sie sind doch nicht etwa sentimental?«
Rick: »Hauen Sie ab und kommen Sie nicht wieder.«
Joe nahm die Beine in die Hand. Der Mond warf seinen Schatten auf die schmutzig grauen Mauern.
Überfall auf Frith Street 22
Er musste es wissen, und er hatte einen Plan. Es war kein gut durchdachter Plan, aber er sollte eigentlich funktionieren – an diesem Tag hatte Joe ja schon etwas Erfahrung gesammelt. Für den Plan sprach, dass er einfach war. Joe hatte den Vorteil von Mos Pistole, deren Mündung immer noch leicht nach Schießpulver roch. Er kam zur Frith Street – endlich, denn fast hätte er sich in dem Labyrinth aus dunklen Straßen verlaufen, aber die Old Compton Street und
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