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Osama (German Edition)

Osama (German Edition)

Titel: Osama (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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die Frith Street waren noch erleuchtet, und Menschen saßen draußen, tranken Bier und Kaffee und hörten Musik. Es wurde gelacht, was Joe wie ein außerirdisches Geräusch erschien. Er ging die Frith Street hinauf, blieb vor der Tür des Castle stehen, drückte den Türsummer und wartete, den Blick wieder auf das blaue Schild mit der ersten Fernsehübertragung gerichtet.
    »Ja?«
    »Mike Longshott«, sagte er.
    »Einen Moment, Sir.«
    Er wartete, bis der Moment vorbei war. Die Tür ging auf. Derselbe Rausschmeißer wie zuvor, in einem zu teuren Anzug, die Ausbeulung durch eine Waffe unter dem Jackett – »Dachte, ich hätte beim letzten Mal hinreichend klargestellt, dass ich Sie nicht mehr –«
    Joe stieß mit dem Knie zu, einmal, zweimal, holte die Derringer heraus, schlug dem Mann die Nase ein, ließ ihn auf den Fußboden sinken. »Da haben Sie falsch gedacht«, sagte er. Er stieg über den Mann hinweg, sagte: »Versuchen Sie zu atmen.« Trat ein.
    Nach oben ging’s zum Esszimmer der Gäste. Nach unten zur Bibliothek, zum Rauchsalon und zum Postraum. Hinterm Empfangstresen eine Frau, die sich erhob, verängstigt wirkend – »Keine Bewegung.«
    Sie verfolgte die Bewegung der Pistole. Joe warf einen Blick hinter sie –eine unauffällige Tür, die wie ein Teil der hölzernen Wandverkleidung aussehen sollte – »Was ist dahinter?«
    »Küche und Hauswirtschaftsbereich«, sagte das Mädchen.
    »Machen Sie auf.«
    Sie ging zu der Tür, schob sie auf. »Sie ist nicht zugeschlossen.«
    »Gehen Sie rein.«
    Er folgte ihr. Ein zweckmäßiger Gang, die Wände fleckig, mit Knoblauchgeruch getränkt, ein Eimer mit schmutziger Seifenlauge, der verloren vor der ersten Tür stand.
    »Was ist da drin?«
    »Putzzeug.«
    In der Tür steckte ein Schlüssel. Drinnen war es dunkel und roch nach Putzmitteln – keine Fenster, ein einzelner Stuhl. »Sieht bequem aus«, sagte Joe. Er schubste die Frau hinein, nicht fest, hörte, wie sie anfing: »He, was soll …«, und schloss die Tür hinter ihr zu. Viel Zeit hatte er nicht, und das hier dauerte schon viel zu lang. Elegant war sein Plan nicht gerade, aber vielleicht konnte er das ändern.
    Hinter dem Empfangstresen fand er einen verborgenen Schrank und zog sich um. Ein Sakko und eine Krawatte – schick. Der Türsteher kam wieder zu sich. Joe hatte es satt, Türsteher zu schlagen. Trotzdem. Mit dem Pistolengriff versetzte er ihm einen Hieb auf den Hinterkopf, schob ihn unter Mühen hinaus, schloss die Tür.
    Er ging die Treppe hinunter. Dort unten: Holz, vornehmer Samt, weiches Licht. Ein Mann in Uniform: »Sir, hier dürfen nur Mitglieder –«
    »Ich bin gerade eingetreten«, sagte Joe. Er ließ ein bisschen Bares sichtbar werden. Der Mann verfolgte es mit dem Blick. »Immer ein Vergnügen, neue Mitglieder zu begrüßen, Sir«, sagte er, während er das Geld verschwinden ließ. Joe grinste. »Wo ist der Postraum?«, sagte er. Der Mann wies ihm den Weg. »Geradeaus und dann links«, sagte er. »Da hat nur Millie Dienst, Sir.«
    »Danke«, sagte Joe.
    Er machte sich auf den Weg durch den stillen Gang, angetrieben von einer nervösen Energie, einem Gefühl, dass etwas zu Ende ging. Das Geräusch von Besteck, Klirren, das Knallen eines Korkens, Gelächter, Unterhaltung. Er fühlte sich wie der Eindringling, der er war. Am Ende des Gangs wandte er sich nach links – der Postraum klein, ein schläfriges Mädchen hinter dem Tresen, ein roter Royal-Mail-Briefkasten neben der offenen Tür.
    »Millie«, sagte Joe, und das Mädchen öffnete erschrocken die Augen –»Sir?«
    »Ich heiße Mike«, sagte er. Lächelte freundlich. »Mike Longshott.«
    Er sah die Reaktion in ihren Augen – »Sir, ich –«
    »Wie ich höre, haben Sie Post für mich?«
    »Sir? Nein, Sir.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    Das Mädchen sah verwirrt aus – ein Spiegel, der Joe vorgehalten wurde. »Ihre Anweisungen, Sir«, sagte sie.
    »Natürlich«, sagte Joe. »Es kann aber sein, dass ich sie ändern muss. Jetzt, wo ich hier bin.«
    In der Ferne laute Stimmen. Über Millies Kopf hing eine Uhr – das Ticken machte Joe wahnsinnig. »Können wir meine ursprünglichen Anweisungen einfach mal durchgehen?«
    Wie durch Zauberhand wurde weiteres Geld sichtbar. »Für Ihre Mühe«, sagte er.
    Plötzlich strahlte das Mädchen. »Ich muss zugeben, ich war fasziniert«, sagte sie. »Ich hätte nie gedacht …«
    »Dass Sie mich sehen würden?«
    Sie nickte. Er sagte nichts, das Gefühl fand seinen Widerhall tief in

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