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Oscar

Oscar

Titel: Oscar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Dosa
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wo die Infektion ihren Ausgang hatte. Beide waren rot und geschwollen. Ein Bereich in der Nähe des rechten Schienbeins nässte, weil dort offenbar die Flüssigkeit geschädigter Zellen an die Oberfläche gedrückt wurde.
    »Er ist tatsächlich ziemlich krank, Barbara«, sagte ich. »Vielleicht ist bereits eine Sepsis eingetreten. Das heißt, die in den Beinen gebildeten Bakterien haben sich im ganzen Blutkreislauf ausgebreitet.«
    Sie nickte, ohne etwas zu erwidern.
    »So, wie ich die Lage einschätze, können wir eine derart starke Infektion hier nicht behandeln«, fuhr ich fort. »Deshalb müssen wir die Entscheidung treffen, ob wir Ihren Vater in die Klinik verlegen oder nicht.«
    »Wie Sie meinen, Doktor.« Das klang nicht wie die Frau, die sich immer so hartnäckig gegen die Vorstellung gewehrt hatte, bei ihrem Vater nicht mehr sämtliche vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Ich beschloss, diesen Moment der Offenheit zu nutzen.
    »Barbara«, begann ich, »als Ihr Vater zu uns kam, da haben Sie uns angewiesen, es in jedem Fall mit Wiederbelebungsmaßnahmen zu versuchen, wenn sein Herz stehen bleibt.«
    »Ja, wenn man ihn retten kann, dann sollte man das auch versuchen, finde ich.«
    »Das hört sich logisch an«, sagte ich. »Aber, wissen Sie, wir sind hier nicht im Fernsehen.«
    Sie warf mir einen merkwürdigen Blick zu. Offenbar war ich in Gefahr, eine Grenze zu überschreiten, ließ mich von meinem Vorhaben jedoch nicht abbringen.
    »Im Fernsehen schafft man es immer, den Patienten wiederzubeleben«, fuhr ich fort. »Im wahren Leben läuft es jedoch anders.«
    »Das ist mir durchaus bewusst«, sagte Barbara kühl.
    »In Fällen wie bei Ihrem Vater, also wenn eine chronische Erkrankung wie Demenz vorliegt, ist eine Wiederbelebung nach einem Herz- oder Atemstillstand nur sehr selten wirklich erfolgreich. Wenn man das Alter Ihres Vaters und seinen Zustand in Betracht zieht, ist es äußerst zweifelhaft, ob er jemals wieder die Intensivstation verlassen würde.«
    »Aber wieso sollten wir nicht alles Menschenmögliche tun, um ihn zu retten?«, fragte sie. Nun klang ihre Stimme nicht mehr kühl, sondern hitzig.
    »Wenn ein Patient sehr krank ist, führt eine Wiederbelebung manchmal nur dazu, dass man das Unvermeidliche aufschiebt und ihm dabei noch zusätzliche Schmerzen zufügt. Und egal, ob Sauls Infektion behandelt werden kann oder nicht, seine Demenz ist irreversibel. Deshalb würde ich vorschlagen, wir behalten ihn hier und sorgen dafür, dass er so wenig leidet wie irgend möglich.«
    Barbara sah mich zornig an. »Doktor, mein Vater wollte, dass alles getan wird, um ihn am Leben zu erhalten. Selbst wenn nur eine winzige Chance besteht, dass er sich erholt, glaube ich, er würde sie ergreifen wollen. Da werde ich doch jetzt nicht gegen seine Wünsche handeln!«
    Im Grunde war ich von dieser Reaktion nicht weiter überrascht. Bei solchen Gesprächen kam ich mir immer vor wie ein Vertreter, der ein ausgesprochen unbeliebtes Produkt anzubieten hatte: einen Realitätscheck. Ich überlegte, ob ich Barbara darauf hinweisen sollte, dass der Zustand ihres Vaters sich inzwischen entscheidend verändert hatte, verzichtete jedoch darauf. Es hätte nichts gebracht.
    »Und überhaupt, ich will das alles jetzt nicht hören«, fuhr Barbara fort. »Mein Vater muss behandelt werden, also lassen Sie ihn bitte sofort in die Klinik bringen!«
    Gehorsam machte ich mich auf den Weg zum Stationszimmer, um Sauls Verlegung vorzubereiten. Als ich am Schreibtisch saß, ins Leere starrte und an alles dachte, was gerade geschehen war, tauchte plötzlich ein unerwarteter Besucher auf. Es war Oscar, der am Tisch entlangstrich, dann mit einem Satz darauf sprang und sich neben das Telefon setzte. Dann sah er mich an.
    »Wieso sprichst du nicht mal mit Barbara, Oscar?«, sagte ich. »Vielleicht kannst du sie überzeugen.«
    So, wie er mich beäugte, konnte man sich vorstellen, dass er sich meinen Vorschlag tatsächlich überlegte. Dann streckte er sich jedoch lang aus, um deutlich zu machen, dass er ausnahmsweise von mir gestreichelt werden wollte. Vorsichtig folgte ich der Aufforderung.
    »Tja, leider bist du wohl wirklich bloß ein Kater, was?«, murmelte ich dabei.

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    Wer Katzen mag,
hat meist ein richtig großes Herz.
    Susan Easterly
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    E ine Weile habe ich ernsthaft darüber nachgedacht, ein Buch über die Erfahrungen mit meiner Mutter zu schreiben. Ich hatte sogar schon einen Titel, und zwar:
Die Dame im oberen

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