Osiris Ritual

ihn
zurück an seinen Platz und vergewisserte sich, dass er genau saß. Das Publikum
schaute stumm und gebannt zu. Sogar Newbury beugte sich unwillkürlich vor, um
zu sehen, was Alfonso als Nächstes tun würde.
    Der Magier ging zum linken Bühnenrand, wo eine junge Helferin, die
ein recht offenherziges, mit Pailletten und Federn verziertes Kostüm trug, ein
großes Holzregal herbeirollte, in dem schimmernde Schwerter steckten. Alfonso
zog eine Klinge heraus, hob sie über den Kopf und zeigte sie den Zuschauern.
Strahlend glänzte das Licht auf dem Stahl. Dann trat er an den Kasten, in dem
die Frau lag, und schlug mit der flachen Klinge auf den Sarg. Es gab ein
mächtiges Klirren. Schließlich fasste er die Schwertspitze mit Daumen und
Zeigefinger und versuchte, das Metall zu biegen. Hingerissen schaute das
Publikum zu.
    Alfonso drehte den Sarg ein wenig, damit die Menge beobachten
konnte, was nun kam. Er führte die Schwertspitze in einen der schmalen Schlitze
in der Seite der Kiste ein und stieß die Klinge mit aller Kraft hinein. Die
Spitze kam an der anderen Seite der Kiste durch einen ähnlichen Spalt wieder
zum Vorschein. Alfonso schob die Klinge durch, bis das Heft des Schwerts an der
Außenwand lag.
    Die Zuschauer keuchten. Alfonso kostete die Bewunderung aus, kehrte
zum Regal zurück, holte eine weitere Klinge und wiederholte die Prozedur –
zuerst zeigte er dem Publikum, dass die Klinge echt war, dann stieß er sie
durch die Kiste und anscheinend auch durch die Frau, die in ihr lag, bis die
Spitze an der anderen Seite zum Vorschein kam. Dies tat er wieder und wieder,
bis das Regal fast leer war und mindestens zehn Klingen in der Kiste steckten.
Endlich kletterte er aufgeregt und kurzatmig von der Anstrengung auf den
Hocker, setzte die letzte Klinge von oben auf den Deckel und stieß sie abwärts
durch das letzte Loch in die Kiste. Durch einen entsprechenden Spalt in der Unterseite
tauchte auch diese Klinge wieder auf. Keinesfalls konnte die Frau in der Kiste
überlebt haben.
    Alfonso stieg vom Hocker herunter und baute sich vor dem Publikum
auf. Schnaufend rollte er die Hemdsärmel bis zu den Ellenbogen hoch. Das
Publikum war stumm und sah ihm gespannt zu. Lächelnd stieß Alfonso den Hocker
mit einem Tritt zur Seite und fasste die Kiste an einem Ende. Sie ruhte immer
noch auf dem niedrigen Untergestell, mit dem er sie auf die Bühne gefahren
hatte. Nun drehte er die Kiste rundherum und bot dem Publikum die Möglichkeit,
den Kasten von allen Seiten zu betrachten. Newbury runzelte die Stirn. Ihm war
nicht klar, was mit der Frau geschehen war. Unter der Kiste gab es keine
erkennbare Falltür, und falls die Frau wirklich durch eine kleine Luke an der
Unterseite entkommen war, hätte man sie sofort bemerkt. Die einzige andere
Erklärung war, dass sie sich noch in der Kiste befand, aber das konnte Newbury
nicht recht glauben. Die Schwerter hatten echt ausgesehen, und die Stiche durch
die Löcher hatten die Frau im Innern sicher nicht verfehlt, ganz egal, wie
sorgfältig man die Schlitze vorher angelegt und bemessen hatte.
    Â»Ist das nicht beeindruckend?« Veronica
beugte sich lächelnd zu ihm herüber.
    Â»Unbedingt. Ich muss zugeben, dass ich schon etwas ungeduldig war,
bevor dieser Teil der Vorstellung begann. Ich habe keine Ahnung, wie er es der
Frau ermöglicht hat, aus der Kiste zu entkommen. Das ist höchst interessant.«
    Veronica lachte. »Vielleicht ergibt sich nach der Vorstellung eine
Gelegenheit, ihn zu fragen. Vorausgesetzt, wir nehmen ihn nicht gleich in Haft.«
    Newbury nickte. »Durchaus.« Er hielt inne. »Sehen Sie, jetzt holt er
sie wieder heraus.«
    Sie blickten wieder nach vorn, wo Alfonso mit großem Körpereinsatz
die Schwerter aus der Kiste zog und unter lautem Geklirr auf den Boden fallen
ließ. Es dauerte nicht lange, bis alle Klingen entfernt waren. Dann zögerte er
einen Moment vor der Kiste und nahm schließlich mit einer großartigen Geste den
Deckel ab, um zurückzutreten, damit die letzten Szenen des Tricks für alle gut
zu erkennen waren. In dem Kasten ertönte ein leises Hüsteln, dann richtete sich
die Frau auf und blickte mit verwirrten großen Augen zum Publikum. Die Menge
brüllte begeistert, vorne sprangen die Zuschauer sogar auf. Der Applaus war
ohrenbetäubend. Newbury lächelte, als Alfonso die Bewunderung seiner Anhänger
förmlich aufsaugte.