Osterfeuer (German Edition)
Märchen!
Träge floss der warme, dottergelbe Custard – eine altenglische Eiercreme
– über den lockeren, portweingetränkten Biskuit, den der Saft der ihn bedeckenden
Himbeeren in ein dunkles Fuchsia getaucht hatte. Nicht ganz rezeptgetreu verbarg
sich darunter noch eine Schicht Vanilleeis, die nach Trudes Dafürhalten diese Komposition
erst perfekt machte. Man war nach Cucumber Soup und den gefüllten Makrelen jetzt
beim Dessert angelangt und eine genussvolle Stille lag über der kleinen Tischgesellschaft,
unterbrochen nur durch das leise Geklapper der Löffel und ab und zu einen Seufzer
des Wohlgefühls.
»Mmmh! Ich hatte schon fast vergessen,
dass du eine göttliche Köchin bist, Trudi! Es war wie immer alles ganz wunderbar!«
Betty kratzte bei diesen Worten
emsig mit dem Löffel in ihrem Dessertschälchen, um ja kein Mikrogramm übrig zu lassen.
»Trude, es hat wieder sehr gut geschmeckt!
Lass uns auf deine Kochkunst anstoßen!«
Elsbeth, gut frisiert, eine Perlenkette
auf dem eleganten, hellgrauen Pullover, hob ihr Weißweinglas und der Rest der Runde
tat es ihr gleich.
»Prost!«
Franz, der neben Trude saß, küsste
ihr anschließend die Hand.
»Was wäre ich ohne dich? Zehn Kilo
leichter und um tausend Genüsse ärmer!«
Trude lächelte und errötete tatsächlich
ein bisschen. Es rührte sie immer wieder aufs Neue, mit welcher Inbrunst Franz sich
ihren kulinarischen Kreationen hingab, wie er sich am Genuss wohlschmeckender Speisen
aus tiefstem Herzen freuen konnte. Und sie wusste auch, dass er wirklich an Gewicht
zugelegt hatte, im Gegensatz zu ihren ständigen Kämpfen und Niederlagen in punkto
Übergewicht grämte er sich darüber aber nicht im Geringsten. Er war noch nicht dick,
doch seine ohnehin kräftige Statur hatte sich in den letzten Jahren sichtbar gerundet.
Kaum größer als sie, das Haar auf der Stirn schon etwas gelichtet, das graue Schnauzbärtchen
in seinem meist freundlichen Gesicht, fand sie ihn aber nach wie vor ungeheuer attraktiv.
Und sie wusste, dass, wenn er von Genüssen sprach, er nicht nur ihre Kochkunst meinte.
»Ja, ja, die Trude … Ihr Weg zum
anderen Geschlecht führte schon immer durch den Kochtopf.«
Margot war schon wieder auf dem
Weg zur Terrassentür, um sich eine Zigarette anzuzünden.
»Mit Speck fängt man eben Mäuse!«
»Nun ja, bei dir würde das wahrscheinlich
nicht funktionieren, Margot, wenn ich an deine diesbezüglichen Fähigkeiten denke
…«, musste die harmlose Betty witzeln.
Amüsiert blies Margot, die Lippen
zum Schmollmund aufgeworfen, den Rauch ihrer Zigarette zu Ringen geformt in die
Küche.
»Stimmt! Ich musste mich da auf
anderen Gebieten anstrengen.«
Sie schenkte Franz ein breites Lächeln.
Wie immer ließ die Gegenwart eines männlichen Wesens ihr sonst zur Schau getragenes
Desinteresse an der allgemeinen Unterhaltung verschwinden und sie gab sich ausnehmend
charmant und an allem und jedem interessiert. Trude beobachtete Franz, wie er mit
wohlwollender Miene aus der Zuschauerposition heraus das Geplänkel um sich herum
verfolgte. Sie hatte ihm über Margot nur erzählt, dass es sich um eine ehemalige
Studienkollegin handelte, die sie seit ihrem Weggang aus Berlin aus den Augen verloren
hatte und dass Betty und Iris sie in Erinnerung an alte Zeiten quasi als Überraschung
mit zu diesem Wochenende gebracht hatten. Ihre ganz spezielle, persönliche Beziehung
zu ihr hatte sie verschwiegen. Betty und Iris kannte Franz schon von dem einen oder
anderen Berlinbesuch und fand sie beide sehr sympathisch. Er schien sich jedenfalls
als Hahn im Korb zwischen den fünf Frauen recht wohl zu fühlen und Margots plötzlich
erwachtes Interesse an den medizinischen Einwegartikeln, die seine Firma herstellte,
schmeichelte ihm sichtlich. Es war immer wieder beeindruckend, ja fast rührend,
wie Männer sich als reine Toren entpuppten …
»Sagen Sie Margot, könnten Sie wohl
so freundlich sein, entweder ganz nach draußen zu gehen, um zu rauchen, oder darauf
zu verzichten? In meinem Alter ist man etwas kälteempfindlicher.«
Elsbeth zeigte ein höfliches Lächeln
und zog sich fröstelnd ihre Strickjacke mit den Perlmuttknöpfen, die sie über der
Stuhllehne hängen hatte, über die Schultern.
»Kein Problem.«
Margot drückte ihre kaum gerauchte
Zigarette praktischerweise wieder im Blumenkasten aus und Trude fragte sich, ob
er schon langsam vor Kippen überquoll.
Betty und Iris räumten den Tisch
ab und Trude stellte den Madeira bereit, einen
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