Osterfeuer (German Edition)
Herren von der Polizei hatten ihre Aussage,
dass sie nichts gesehen und gehört hatte, kommentarlos aufgenommen. Die fürsorgliche
Aufmerksamkeit des großen Kommissars hatte Elsbeth allerdings sehr verunsichert
und sie hatte besorgt auf Zwischentöne im so harmlos klingenden Singsang seines
fränkischen Dialekts gelauscht.
Ein dröhnendes Motorengeräusch und
dann abruptes Bremsen auf dem Kies vor dem Reetdachhaus holten Elsbeth aus der Tiefe
ihrer verwirrenden, düsteren Gedanken. Aus einem hochbeinigen Geländewagen, der
schwarzsilbern in der Sonne blinkte, sah sie Knut Overbeck springen. Seit er sich
vom Großbauern zum Reitstallbesitzer gewandelt hatte, konnte er es sich leisten,
noch öfter auf einen Schwatz vorbeigefahren zu kommen und seiner Leidenschaft für
Klatsch und Tratsch zu frönen. Wahrscheinlich hatte er – auf welchen Wegen auch
immer – von dem schrecklichen Vorfall auf der Mühle erfahren. Schlechte Nachrichten
verbreiteten sich hier sehr schnell. Und wie ein trockener Schwamm war er nun begierig,
möglichst grausige Details aufzunehmen, um sie anschließend blumig ausgeschmückt
in Warstedt und Umgebung zu verbreiten. Trude, die gerade aus der Tür trat, lief
ihm direkt in die Arme.
»Ach Trude!«
Elsbeth seufzte. Nach dem frühen
Tod ihrer Tochter hätte sie nie geglaubt, dass es einmal wieder einen Menschen geben
könnte, der ihr ähnlich viel bedeuten würde. Doch als Trude auf dem Mühlenhof auftauchte,
da war es gar keine Frage. Sie war da und hatte ihren Platz in Elsbeths Herz eingenommen.
In ihrer natürlichen, offenen Art wirkte sie auf die alte Frau wie ein Jungbrunnen.
Nicht dass Franz und Olli sich nicht um Elsbeth gekümmert hätten, doch mit Trude
da gab es diese Vertrautheit, diesen Gleichklang, ja eine Art Seelenverwandtschaft,
die genauso eng war wie die des Blutes. Und wie eine leibliche Mutter hätte auch
Elsbeth alles getan, um Unheil von Trude abzuwenden. Sie würde mit ihr reden müssen.
Bald.
»Hallo Knut! Schon wieder auf den Beinen?«
Muss ich ausgerechnet jetzt aus
dem Haus kommen, dachte Trude ärgerlich, wo Knut dieser neugierige, alte Geier auf
der Jagd nach grausigen Details hier seine Kreise zieht!? Doch sie ließ sich nichts
anmerken und versuchte, ein freundliches Gesicht zu machen.
»Da gehört wohl mehr dazu als die
paar Bier gestern, so’n alten Wikinger wie mich umzuhauen!«, lachte Knut behäbig.
»Das stimmt! Du bist scheinbar gut
im Training, wenn du mit so einem stadtbekannten Champion wir Krischan mithalten
kannst!«, stichelte Trude nicht ohne Spott. Doch Knut ging nicht darauf ein.
»Sech mol, miin Deern!«
Er drängte sich so nah an Trude,
dass sich fast ihre Nasenspitzen berührten.
»Was hört man denn für schreckliche
Dinge von Eurem Hof? Deine schicke Berliner Freundin ist …?«
Er machte eine eindeutige Handbewegung
in Höhe seines Halses. Trude machte einen Schritt zurück, um etwas Abstand zu Knuts
aufdringlicher Nähe zu gewinnen.
»Ja, Margot ist höchstwahrscheinlich
ermordet worden.«
»Sie wurde erstochen und vergewaltigt habe ich gehört …«
»Dann weißt du wohl mehr als die
Polizei. Geh doch ins Haus, da sind zwei Beamte, die können gleich deine Aussage
aufnehmen und du gibst ihnen Tipps, wer der Mörder ist.«
»Echt, die sind da drin?«, fragte
Knut respektvoll und machte unwillkürlich einen Schritt zurück.
»Die verdächtigen doch nicht den
alten Franz, he?«
Diese lustig gemeinte Bemerkung
hallte bei Trude äußerst unangenehm nach und sie warf Knut einen genervten Blick
zu. Er hob die Hände.
»Nix für ungut, war so einer meiner
Witze, kennst mich doch. Aber ich hab da einen echten Verdacht.«
»Ach ja?«
Trude sah ihn skeptisch an. Knut
war wie ein großes Kind, immer auf der Suche nach Unterhaltung. Nachdem er sein
ganzes Vermögen in Form von Gutshof und Ländereien durch Heirat der einzigen Erbin
quasi als Mitgift erhalten hatte, war ihm durch die Umwandlung in einen Reitstall
gelungen, es auch noch auf recht unanstrengende Art und Weise zu vermehren. Die
Arbeit überließ er seiner Frau und dem Personal und er hatte vor allem eines im
Überfluss: Zeit. Das machte ihn manchmal ganz schön lästig.
»Ja, ich habe da jemand b estimmtes im Sinn: Der kleine mit der Negerkrause
und den Knopfaugen. Kubaner oder was der is. Hast du gesehen, wie der mit deiner
Freundin getanzt hat? Ausgezogen hat der die mit den Augen dabei und als sie dann
mit diesem blonden Jungen rumgemacht hat, wäre er am
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