Osterfeuer (German Edition)
Zweifel, ihren Vertrauensbruch stand ihr noch bevor und das war
keine einfache Aufgabe.
Als Trude zurück zum Marktplatz
kam, war das Berliner Auto nicht mehr da. Sie verspürte plötzlich das Bedürfnis
nach Weite, Wind und frischer Luft. Ein Blick zur Uhr zeigte ihr, dass sie sich
noch ein halbes Stündchen gönnen konnte, bis sie sich an die Vorbereitung des Mittagessens
machen musste und so lenkte sie ihren Wagen hinaus aus der Stadt, dorthin, wo entlang
eines Bächleins ein Weg durch einen kleinen Laubwald zum Steilufer führte. Gleich
als sie aus dem Auto stieg, begann der Wind an ihrer Kleidung zu zerren und sie
schloss ihre grüne Wachsjacke, mit der sie gegen jedes Wetter gefeit war, das die
vielfältigen Wolkenformationen an diesem Tag bereithalten konnten, und marschierte
los. Dann kann ich auch schauen, wie es mit der Brunnenkresse in diesem Frühjahr
steht, dachte sich Trude. Das kleine Gewässer, das hier glucksend und kristallklar
über die Steine sprang, barg gewöhnlich dort, wo es ruhiger dahinfloss, einige üppige
Felder des würzig-scharf schmeckenden Krautes.
Der Weg, den Trude nahm, war kein
belebter Touristenpfad und nur ganz selten begegnete man einem Spaziergänger. Der
Wind rauschte mächtig in den Kronen der Buchen und Eichen und hin und wieder fiel
knackend ein trockener Ast herunter. Trude folgte dem kleinen Bach, mit den Augen
nach dem begehrten Wassergewächs Ausschau haltend, ab und zu niederhängende Zweige
von Holunder und Knöterich beiseite schiebend oder über einen umgestürzten Baumstamm
kletternd. Sie liebte diesen kleinen Urwald und genoss es, einmal nicht den ungeduldig
zerrenden Lollo an der Leine dabei zu haben. Die unangenehmen Ereignisse der vergangenen
Tage waren weit weg und hocherfreut hockte sie sich auf einer Lichtung in eine kleine
Senke, wo sattgrüne Brunnenkressebüschel das Wasser säumten. Sie holte das Schweizer
Messer, das sie auf Spaziergängen nie vergaß, aus ihrer Tasche und schnitt ein paar
Stängel ab, die sie prüfend zu zerkauen begann. Es schmeckte pfeffrig und nach Senf,
bitterwürzig – und begeistert machte sie sich an die Ernte und füllte das Kraut
in die vorsorglich mitgebrachte Plastiktüte.
Hinter sich im Gebüsch hörte Trude
ein Knacken. Bestimmt irgendein Tier dachte sie sich und ließ sich beim Schneiden
nicht stören. Als das gleiche Geräusch wieder zu vernehmen war, richtete sie sich
auf und sah sich um, konnte aber zwischen den Stämmen in dem Spiel aus Licht und
Schatten nichts erkennen. Sie hatte ohnehin genug von dem köstlichen Grün gesammelt
und setzte ihren Marsch in Richtung Steilufer fort. Jetzt säumten hauptsächlich
Pappeln ihren Weg und das Rauschen ihrer Blätter im Wind vermischte sich mit dem
Rauschen des Meeres, das nicht mehr weit war. Immer öfter vermeinte Trude nun so
etwas wie Schritte zu hören und sie fühlte, wie eine Unruhe in ihr aufstieg. Auch
wenn der Hund nicht dabei war, sie hatte sich hier immer sicher gefühlt. Unwillkürlich
musste sie an die tote Margot denken und plötzlich bemächtigte sich ihrer eine Angst,
wie sie sie seit Jahren nicht mehr gekannt hatte.
Damals, nach Gerhards Tod, als ihr
der Boden unter den Füßen wegrutschte, fürchtete Trude jede Tür, die sie öffnen
musste, da sie nicht wusste, was dahinter war. Das Durchqueren eines Parks, mit
Büschen und Bäumen, die den Blick verstellten, war eine Mutprobe und das nie ganz
helle Treppenhaus erstieg sie im Eiltempo bis sie mit wild klopfendem Herzen und
völlig außer Atem ihren sicheren Hort im vierten Stock erreichte. Zum Schluss traute
sie sich kaum noch allein auf die Straße und erst nach monatelanger Therapie war
sie wieder zu einem normalen Alltagsleben fähig. Seit sie mit Franz zusammen war
und hier im Norden lebte, hatten diese Ängste sie in Ruhe gelassen, sie hatte sie
völlig vergessen. Und das sollte auch so bleiben.
Trude hielt ihr kleines Messer aufgeklappt
in der Jackentasche. Auch wenn sie ein leises Zittern verspürte, sie würde sich
zu wehren wissen. Und als ihr ein dichtes Gebüsch den Weg versperrte, duckte sie
sich nach Indianerart, wechselte flink ein paar Meter neben den Pfad und schlich
so vorsichtig wie möglich weiter, ihre Umgebung aufmerksam beobachtend. Sie war
sich jetzt fast sicher, dass sie verfolgt wurde. Nur noch wenige Meter und der Wald
endete, dann würde sie wissen, ob es irgendein Finsterling auf sie abgesehen hatte,
ein Wildschwein sie verfolgte oder nur ein harmloser Spaziergänger den
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