Osterfeuer (German Edition)
lag ein Schweigen über dem
Tisch, das für Trude von all dem Unausgesprochenen erfüllt war, das es zwischen
ihr und Franz noch zu klären gab. Olli, der bisher nichts über seine Begegnung mit
der Polizei hatte verlauten lassen, bekam auch die Zähne nicht auseinander. Über
allen lag eine gedrückte Stimmung oder jedenfalls empfand Trude das so.
Betty ließ ausrichten, sie hätte
irgendetwas in der Stadt zu erledigen und Trude fragte sich genervt, was das wohl
Wichtiges sein konnte, zumal an einem Feiertag. Zwar hatte sich Iris kurz zu ihr
an den Tisch gesellt, aber mit dem Hinweis auf leichte Kopfschmerzen und Appetitlosigkeit
nur eine Tasse Tee getrunken und sich wieder in die Ferienwohnung zurückgezogen.
Also hatte Trude, die ohnehin keinen
Gedanken an Essen verschwendete, da sie ganz andere Fragen beschäftigten, den liebevoll
gedeckten Tisch wieder abgeräumt, sich ins Auto gesetzt und war in die Stadt gefahren.
Auf dem Marktplatz entdeckte sie Bettys Wagen, aber von der Freundin war nichts
zu sehen. Sie schloss ihr Auto ab und machte sich auf den Weg zu dem Sträßchen hinter
dem Rathaus. Sonst freute sie sich immer beim Gang über das urige Kopfsteinpflaster
auf den niedlichen Anblick des geweißten Häuschens mit den roten Fenstersprossen
und den liebevoll bepflanzten Kübeln davor, doch heute hatte sie dafür keinen Blick
übrig. Beklommen bewegte sie den Messingklopfer an der rotweiß gestrichenen Haustür.
Hier zu stehen und Nachforschungen über den Verbleib des Ehemannes anzustellen –
nie hätte sich Trude das träumen lassen. Doch auch wenn ihr diese Situation schrecklich
peinlich war, sie brauchte Gewissheit.
Babs öffnete. Sie trug einen langen
Morgenmantel aus schwarzer Seide mit einem Muster aus roten Drachen und das dunkle
Haar fiel lang über ihre Schultern. Als sie Trude sah, lächelte sie erfreut und
schloss sie wie üblich einfach in ihre Arme.
»Schrecklich, was da bei euch passiert
ist. Da musst du dich mal wieder richtig ausquatschen, was, meine Kleine?«, fragte
sie in ihrer herzlichen Art und wirkte kein bisschen verlegen. Trude hatte nicht
erwartet, so begeistert empfangen zu werden und entzog sich mit einem schiefen Lächeln
der Umarmung.
»Ich bin eigentlich gekommen, um
mit dir über Franz zu reden.«
»Soso«, sagte Babs und wirkte amüsiert.
»Dann komm doch erst mal rein. Willst
du einen Kaffee, ich habe gerade frischen gekocht?«
Trude bejahte und als sie den gemütlichen
Wohnraum betrat, umfing sie eine Geruchsmischung aus Zigaretten, Kaffee und Babs’
Parfum, die ihr wohl vertraut war. Wie oft hatten sie schon auf den bunten Polstern
zusammengesessen und über Gott und die Welt beziehungsweise Warstedt gequatscht
oder sich ihren Ärger über typisch männliche Eigenheiten von der Seele geredet,
die jede Frau zur Weißglut bringen konnten. In dem vollgestopften Zimmer mit seinen
vielen Teppichen, den seidenen Kissen, den Leuchtern, Skulpturen und Pflanzen fühlte
sich Trude immer wie in einem orientalischen Palast.
Babs balancierte auf ihrem ägyptischen
Messingtablett die Kaffeekanne, einen Topf Milch und zwei Tassen ins Zimmer und
stellte alles auf dem Mosaiktisch vor Trude ab.
»Ich habe sowieso nicht verstanden,
wieso Franz seinen Besuch bei mir um diese, zugegeben, etwas ungewöhnliche Uhrzeit
als Top Secret behandeln wollte. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass durch Geheimniskrämerei
belanglose Kleinigkeiten zu riesigen Affären werden und eine Menge Missverständnisse
und Ärger hervorrufen, die man durch Offenheit von Anfang an hätte vermeiden können.
Na ja, das ist meine Sicht der Dinge …«
Sie goss Trude einen Kaffee ein.
»Ihr beide scheint das ja etwas
anders zu sehen …«
»Wie meinst du das?«, fragte Trude
abwehrend. Babs griff nach ihren Zigaretten und zündete sich eine an.
»Hattet Ihr, du und Franz, als ihr
euch damals kennen- lerntet, nicht beschlossen, eure Vergangenheit ruhen zu lassen?
Du hattest wohl ziemlich unschöne Erfahrungen hinter dir und wolltest sozusagen
ein neues Leben anfangen und alles, was vorher war, einfach vergessen … Leider habe
ich feststellen müssen, dass das so einfach nicht geht. Besser man stellt sich seinen
Erinnerungen, irgendwann holen sie einen sowieso wieder ein.«
Babs bemerkte sofort, dass Trude
dieses Thema äußerst unangenehm war und legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter.
»Ich habe dich ja nie danach gefragt
und werde es auch nicht tun. Aber ich werde dir jetzt aus meiner
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