Osterfeuer (German Edition)
dann krank?«
»Ich konnte nicht mehr essen. Ich
versuchte es immer wieder, doch ich behielt nichts bei mir und nahm in kürzester
Zeit rapide ab. Ich litt unter Angstträumen und Panikattacken, wagte mich nicht
mehr auf die Straße. Das Kind in mir wurde genau wie ich immer schwächer. Und dann
verlor ich es …«
Offensichtlich setzte Trude die
Schilderung dieser Ereignisse unter große Spannung und sie atmete hin und wieder
hörbar tief durch, sprach aber tapfer weiter. Hatte sie bisher mehr für sich selbst
erzählt, wendete sie sich jetzt direkt an Angermüller:
»Ich war drei Monate in einer psychiatrischen
Klinik und dort half man mir wieder ins Leben zurück. Außer mit den Ärzten dort,
habe ich nie mit jemandem über das verlorene Baby und warum es dazu gekommen ist,
gesprochen, nicht einmal mit Franz. Ich habe sozusagen ganz von vorne angefangen,
ohne den Ballast dieser schwärzesten Zeit meines alten Lebens. Können Sie das verstehen?«
»Ich weiß nicht … also, wie ich
mich verhalten hätte …«, stotterte Angermüller, dem diese sehr persönliche Frage
unangenehm war. Trude wartete nicht auf eine Antwort.
»Seit damals kann ich keine Kinder
bekommen. Das habe ich meinem jetzigen Mann natürlich erzählt. Und nur ihm. Frau
Oppels Wissen muss von Margot stammen, die ja durch Gerhard zumindest von meiner
Schwangerschaft wusste …«
Jansen, der sich die ganze Zeit
im Hintergrund gehalten hatte, fragte: »Und diese Person, der Sie die schwärzeste
Zeit Ihres alten Lebens verdanken, wie Sie das nannten, ist jetzt hier überraschend
aufgetaucht. Wie war das für Sie?«
»Natürlich bin ich im ersten Moment
erschrocken, als Margot plötzlich vor mir stand, denn ich hatte schon gehofft, ihr
nie wieder begegnen zu müssen. Aber dann habe ich nicht anders reagiert, als ich
Ihnen in unserem ersten Gespräch geschildert habe. Ich mochte sie nicht, aber ich
hielt sie auch nicht für das personifizierte Böse und was mir damals widerfuhr,
war höchstens zum Teil ihre Schuld. Ich hatte keine Angst, dass sie eine Gefahr
für mein jetziges Leben darstellt, falls Sie das meinen. Ich fühlte mich auf jeden
Fall stark genug diese drei Tage ihres Hierseins unbeschadet zu überstehen. – Ob
das so ist, wird sich noch herausstellen. Jedenfalls habe ich Margot Sandner nicht
umgebracht.«
Angermüller räusperte sich.
»Ich danke Ihnen sehr für Ihre Offenheit,
Frau Kampmann.«
»Bitte. Ich kann nicht behaupten,
dass es gern geschehen ist und ob ich für Sie jetzt weniger verdächtig bin, weiß
ich auch nicht … Doch angesichts dieser ungeheuren Vorwürfe von Frau Oppel …«
Entgegen ihren Befürchtungen spürte
Trude, dass es ihr gut getan hatte, den beiden Beamten die ganze Geschichte zu erzählen.
Sie fühlte sich irgendwie gestärkt und befreit und wusste die Qualität ihrer jetzigen
Lebensumstände umso mehr zu schätzen. Der Kommissar aus Franken warf ihr einen bewundernden
Blick zu. Was für eine kluge und starke Frau! Sein Kollege Jansen blätterte in seinen
Notizen und kam auf die profane Ermittlungsebene zurück:
»Frau Kampmann, wir hätten da noch
ein paar kleine, praktische Fragen …«
»Entschuldigen Sie mich einen Moment!«
Trude, die mit Blick in den jetzt
von der Sonne erhellten Garten saß, sprang auf und lief zur Terrassentür, an der
sie Elsbeth hatte kommen sehen. Elsbeth schaute etwas irritiert, als sie die Polizisten
in der Küche wahrnahm. Im Chaos der Ereignisse des Vormittags hatte Trude völlig
vergessen, dass Elsbeth ja zum traditionellen Osterlamm zu Mittag eingeladen war.
Sie entschuldigte sich für ihr Versäumnis und versprach, sich später bei ihr zu
melden. Mit einem hoheitsvollen Nicken zu den beiden Beamten hin, zog sich die alte
Dame wieder zurück.
Bedauernd betrachtete Angermüller
die Töpfe und Schüsseln, die auf der Arbeitsplatte herumstanden. Um wie vieles lieber
hätte er mit der sympathischen Frau über ihr Osterlamm gefachsimpelt. Und als das
Wörtchen Brunnenkresse im Verhör gefallen war, hatte das sofort sein Interesse geweckt,
da dieses Kraut heutzutage eine wirklich seltene Delikatesse war. Wie oft hatte
er als Kind zu Hause mit seiner Mutter in den klaren Bächen des Coburger Landes
den aromatischen Salat geerntet! Doch er war sich natürlich bewusst, dass dies der
völlig unpassende Moment für derartige Fraternisation mit einer Verdächtigen war.
Er durfte sich nicht von seiner Vorliebe für Speis und Trank bei der Arbeit leiten
lassen und nicht
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