Osterfeuer (German Edition)
das hätte ich längst getan? Das ist alles
Vergangenheit. Heute Abend wäre Margot wieder abgereist und die Vermutung, ich hätte
meine jetzige Ehe durch sie bedroht gefühlt, ist einfach lächerlich.«
Angermüller betrachtete Trude aufmerksam,
die so sachlich und emotionslos wie möglich zu argumentieren versuchte. Da er eine
große Sympathie für diese Frau empfand, fiel es ihm besonders schwer, in ihre persönliche
Sphäre einzudringen und Dinge, die sie scheinbar in ihrem Innersten bewahren wollte,
ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren.
»Frau Oppel hat uns auch gesagt,
dass Sie damals Ihr Baby verloren haben und sehr krank waren, so krank, dass Sie
eine Weile in einer psychiatrischen Klinik verbringen mussten.«
Mit großem Erstaunen und auf eine
Art verletzt sah Trude den Kommissar an. Es war offensichtlich, dass sie um Fassung
rang.
»Woher weiß sie das? Und warum erzählt
sie Ihnen das alles? Ich dachte, wir wären Freundinnen …«
»Entspricht es denn der Wahrheit,
Frau Kampmann?«
»Wahrheit?«, wiederholte Trude abwesend
und schüttelte immer nur ungläubig den Kopf. Und dann begann sie, als ob sie sich
selbst die Dinge erklären wollte, zu erzählen:
»Ich war mit Gerhard sieben Jahre
verheiratet. Unsere Ehe war nicht der siebte Himmel, aber nicht schlecht. Wir hatten
beide unsere Jobs, Gerhard musste beruflich sehr viel reisen und obwohl wir ganz
gut verdienten, hatten wir nie Geld. Gerhard schmiss es mit beiden Händen raus.
Ich kümmerte mich darum nicht, denn ich vertraute ihm und wenn ich doch mal meckerte,
brachte er mir keinen Strauß sondern einen Ring mit und sein Auto musste natürlich
ein teurer Sportwagen sein. Da er beruflich so viel unterwegs war, führten wir eine
richtige Wochenendehe. Und wenn er nicht noch zu einem Golfturnier fuhr, schien
er es zu genießen, dass ich ihn dann umsorgte, wenn er von seinen Reisen zurückkam,
wir meist zu Hause blieben und er von der großen Welt erzählte. Ich hielt das für
eine normale Beziehung auf der Basis gegenseitigen Vertrauens. Ich war Mitte Dreißig,
da wünschte ich mir plötzlich Kinder. Gerhard wollte nie welche, er war ja selber
so egozentrisch wie ein verzogenes Kind. Wunderlicherweise wurde ich aber trotz
Verhütung schwanger – die Natur setzt sich eben durch, wenn man sich etwas so sehr
wünscht …«
Versonnen blickte Trude durch die
Fenster nach draußen, wo zwischen den schweren Regenwolken ein Stück blauer Himmel
sichtbar wurde und zu wachsen begann. Ihr Blick richtete sich wieder auf den Kommissar:
»Und dann kam dieser Sommertag vor
neuneinhalb Jahren, den ich nie vergessen werde. Der Anruf aus dem First Class Hotel
in Hamburg: Es tut uns leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihr Mann heute Nachmittag
einem Herzinfarkt erlegen ist. Ich bin sofort hingefahren und konnte an seinem Tod
natürlich nichts mehr ändern. Ich bezahlte die sündhaft teure Hotelrechnung, doch
das war erst der Anfang. Wir hatten getrennte Konten und die Schulden, die mein
Mann angehäuft hatte, beliefen sich einschließlich offener Rechnungen auf fast fünfzigtausend
Mark. Schmuck, Kleider, Parfum, Restaurants, Flugtickets, weitere Luxusherbergen
– er hatte es sich richtig gut gehen lassen und eine Frau rundum verwöhnt. Nur dass
diese Frau nicht ich war, sondern Margot. Wie ich aus seinem Nachlass erfuhr, ging
das schon seit vier Jahren so …«
Scheinbar immer noch über diese
Tatsache erstaunt, merkte sie an: »Ich hatte nichts davon gemerkt.«
Sie machte eine Pause, als erwarte
sie irgendeinen Kommentar von ihren beiden aufmerksamen Zuhörern, doch Angermüller
bedeutete ihr mit einer Geste fortzufahren.
»Dann fand ich ihre Briefe, die
er feinsäuberlich geordnet in seinem Schreibtisch aufbewahrte. Darin war zu erkennen,
dass er scheinbar alles über mich erzählte, und damit prahlte, wie praktisch meine
Existenz für ihn war, wie gerne ich für ihn kochte und putzte und wie leichtgläubig
ich ihn über mein Geld verfügen ließ. Und dass er es offensichtlich sehr unpassend
fand, dass ich ihn nun bald mit Kindergeschrei und Windelgeruch belästigen wollte!«
Trude verstummte. Angermüller wusste
nicht, wo er hinsehen sollte. Die ganze Enttäuschung über das missbrauchte Vertrauen
schien in der Erzählerin wieder lebendig zu werden und sie schaute ihn dabei so
unendlich traurig an, dass er sich sofort mitverantwortlich für ihren Schmerz fühlte.
Trotzdem versuchte er, sie zum Weiterreden zu bewegen und fragte:
»Und Sie wurden
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