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Ostfriesenblut

Ostfriesenblut

Titel: Ostfriesenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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für diesen Tag gewesen sein sollte. Was jetzt auf sie wartete, war ungleich schlimmer.
    Als sie die Holztreppen zu Thomas Hagemanns Wohnung hinaufgingen, klingelte Ann Kathrins Handy. Hero machte noch einen Versuch, und er drohte ihr damit, die Presse einzuschalten, wenn »ihr bloß, weil sie meine Geliebte ist, deswegen nichts für sie tut. Das ist unterlassene Hilfeleistung. Das ist sogar Beihilfe und Strafvereitelung! Ich habe gerade mit meiner Anwältin gesprochen. Verena Rahlf, du erinnerst dich?«
    »Klar, diese lästige Rothaarige, die immer abends noch nach Büroschluss angerufen hat. Hattest du mit der auch was?«
    Wütend legte Hero auf. »Ich kann auch anders!«, schrie er, doch das hörte Ann Kathrin schon nicht mehr.
     
    Sie fanden drei Computerbildschirme, einen Laptop, einen Farblaserdrucker, mindestens ein Dutzend batteriebetriebener Webcams in allen Größen, zwei digitale Fotoapparate, eine unübersichtliche Anzahl von USB -Sticks, einen Riesenkabelsalat auf dem Boden, dazu eine halbe Pizza mit Schinken und Salami.
    »Ein gefundenes Fressen für Charlie«, orakelte Weller.
    Rupert fragte spitz: »Die Pizza?«
    »Nein«, antwortete Weller. »Die Computer.«
    Und Ann Kathrin schüttelte nur stumm den Kopf. Warum ließ er sich mit solchen blöden Fragen hereinlegen? Rupert versuchte doch nur, ihn vorzuführen.
    Hier hatte jemand sehr spartanisch gelebt.
    Unter der Spüle befand sich ein großer Vorrat scharfer Putzmittel. Schwämme. Bürsten. Aufnehmer.
    Ann Kathrin Klaasen stellte ihn sich zwanghaft vor. Wahrscheinlich wischte er täglich den Boden. Die künstliche Aufgeräumtheit passte nicht zu den Pizzaresten.
    Im Abfalleimer fand Ann Kathrin Männerunterhosen. Sie sahen im Grunde neu aus. Höchstens einmal getragen.
    Ann Kathrin öffnete den Kleiderschrank. Hemden und T-Shirts lagen akkurat aufeinandergeschichtet. Sie entdeckte zwölf Boxershorts in Originalverpackungen.
    »Er trägt seine Unterhosen nur einmal«, sagte sie. »Er wäscht sie nicht. Er wirft sie weg.«
    »Warum macht einer so etwas?«, fragte Rupert ehrlich erstaunt.
    »Weil er sich vor sich selbst ekelt«, vermutete Ann Kathrin.
    Dann ließ sie die Computer nach Aurich bringen.
    Weller inspizierte den Kühlschrank, während sie sich wie immer das Buchregal vornahm.
    Vier Becher Erdbeerjoghurt, eine Packung Fleischsalat. Weller musste nicht die Geruchsprobe machen, um festzustellen, dass er überm Verfallsdatum war. Ein Stückchen ostfriesische Butter, eine angebrochene Flasche Orangensaft, ein halb volles Nutellaglas.
    Im Buchregal nicht ein einziger Hardcovertitel, nur Taschenbücher. Fast ausschließlich Krimis und Horrorliteratur. Eine ganze Reihe Stephen King, ein paar Wolfgang Hohlbein. Dann ein halbes Dutzend Bücher über KZs, »Hitlers Helfer« und die Nazivergangenheit. Insbesondere schien er sich für Gefangenen- und Konzentrationslager zu interessieren.
    Für Ann Kathrin passte das alles in sein Persönlichkeitsbild. Um überhaupt noch etwas zu spüren, brauchte er den Schrecken. Vielleicht auch, um sein eigenes Erschrecken zu verstehen.
    In den Dokumentationen übers Dritte Reich suchte er die Vergangenheit
seiner Peiniger. Oder versuchte er, davon zu lernen, wie man Leute am besten gefangen hielt? Ein Schauer lief ihr den Rücken hinunter bei dem Gedanken.
    Rupert sah sich den Küchenschrank an und das zusammengewürfelte Geschirr. Dann sagte er: »Na, mit Reichtum gesegnet ist unser Held ja nicht gerade.«
    »Wie man’s nimmt«, konterte Weller und zeigte eine angebrochene Flasche Rotwein vor. Es war ein Cascavel aus Ventoux. »Unter fünfzehn Euro gibt’s den nicht.«
    »Der Mann setzt eben Prioritäten«, gab Rupert zurück. »Die Computeranlage ist auch vom Feinsten.«
    Die Besitzerin des Hauses wohnte unten. Sie hatte die Wohnung vor knapp fünf Jahren an Thomas Hagemann vermietet. Sie stand unter Schock, weil sie noch nie eine solche Polizeiaktion miterlebt hatte. Sie war 71  Jahre alt und lobte Thomas Hagemann in den höchsten Tönen. Das alles müsste ein Missverständnis sein. Er sei so ein hilfsbereiter Mann. Sie war froh, dass er im Haus wohnte, das gab ihr, so behauptete sie, eine bestimmte Sicherheit, denn in Greetsiel sei nicht immer so viel los wie jetzt, und wenn die Ferien vorbei waren und die Touristenflut ging, dann könne es ganz schön einsam sein, sagte sie. Dann sei sie froh gewesen, ihn im Haus zu haben. Ruhig, sauber und hilfsbereit. Nie eine Party. Nie Lärm. Erst jetzt fiel ihr auf,

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