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Ostfriesenblut

Ostfriesenblut

Titel: Ostfriesenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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dass es vielleicht nicht ganz gewöhnlich war für einen Mann in seinem Alter, wenn niemals Freunde zu Besuch kamen, es niemals eine Party gab, nie ein Geburtstag gefeiert wurde.
    An jedem Heiligabend, so erinnerte sie sich, hatte er ihr sogar einen Teller vor die Tür gestellt, mit Äpfeln, Nüssen und Lübecker Marzipan. Einmal hatte sie ihn am ersten Weihnachtstag zum Gänsebraten eingeladen, aber danach nicht mehr. Ihre Kinder seien dagegen gewesen und waren eifersüchtig auf ihn. Die Kinder wohnten in Hamburg und kamen nur noch selten vorbei. Sie spielte schon lange mit dem Gedanken, das Erbe
der Kinder auf den Pflichtteil zu beschränken und den Rest an Thomas Hagemann zu vererben. »Der Gute hat ja sonst keinen auf der Welt«, sagte sie.
    Alles würde sich bestimmt bald als Missverständnis herausstellen, da war sie ganz sicher, und wenn er einen Anwalt bräuchte, würde sie ihm Geld leihen, keine Frage.
    Sie beschlossen, die Auswertung in der Wohnung der Spurensicherung zu überlassen und sich eine kleine Auszeit zu nehmen. Sie waren alle geschafft.
    Falls Thomas Hagemann nach Hause kommen sollte, würde er in eine todsichere Falle laufen. Sie kannten sein Auto und die Fahrzeugnummer. Er fuhr einen blauen Passat Kombi. Über vierzig Polizeibeamte in Zivil warteten nur darauf, zuschlagen zu können. An diesem Abend war Greetsiel der sicherste Ort in Ostfriesland. Er würde hereinkommen in die Stadt. Und auch bis in sein Haus. Aber sicherlich nicht wieder heraus.
    Trotzdem hatte jeder ein schlechtes Gewissen, jetzt einfach Feierabend zu machen. Aber es gab für sie nichts mehr zu tun, das nicht bis morgen hätte warten können.
     
    Weller lenkte den Wagen, Ann Kathrin saß auf dem Beifahrersitz. Sie versuchte, irgendetwas Unverfängliches zu sagen, etwas, das nichts mit dem Fall zu tun hatte. Sie fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, zupfte daran und kam sich selbst ein bisschen dämlich dabei vor, als sie ihre Worte hörte: »Ich muss unbedingt mal wieder zum Friseur. Ich will mir die Haare ein bisschen aufhellen lassen. Ich war früher mal richtig blond. Mit der Zeit ist das alles irgendwie nachgedunkelt. Aber beim Friseur dauert das ja immer Stunden, diese Färberei. Und so viel Zeit hat unsereins doch kaum, und wenn man sie mal hat … «
    »Ich kann dir das machen«, sagte Weller.
    »Häh? Was? Ist das dein Ernst?«
    »Ja, warum nicht? Ich hab meinen Kindern auch immer die
Haare geschnitten und … « Er sagte es nicht gern, kam aber dann doch damit raus: »Und meiner Frau, solange es zwischen uns noch gut lief zumindest … «
    Sie lachte: »Ist es deswegen zwischen euch auseinandergegangen? Hast du ihr die Frisur versaut?«
    Jetzt löste sich Wellers Anspannung in einem gewaltigen Gelächter. Er klatschte mit der Hand auf das Lenkrad. Damit löste er versehentlich die Hupe aus. Das vergrößerte seinen Lachkrampf nur noch.
    Ann Kathrin giggelte, bis ihr die Tränen die Wangen hinunterliefen.
    »Einmal«, gluckste Weller, »einmal hab ich das wirklich. Du hättest sie sehen müssen! Sie sah so bescheuert aus! Sie ist dann am anderen Tag zum Friseur, und der hat versucht, alles noch irgendwie zu richten. Sie hatte dann eine Weile so einen ganz kurzen Rattenkopf … «
    »Und du meinst also, ich soll dich auch an meine Haare ranlassen?«
    »Bei dir werd ich mir Mühe geben, ehrlich! Außerdem, ich hab’s ihr damals nur verschnitten, und du willst doch einfach ein paar Strähnchen rein haben. Steht dir bestimmt total gut. Lass uns ein Mittel kaufen, und ich färbe dir die Haare.«
    Sie parkten in Norden hinter der ehemaligen Piratenschule, gingen an den beleuchteten Wasserspielen vor Shafie’s Speicher vorbei, wo es verführerisch nach frischgegrillten Steaks roch. Ann Kathrin nahm im Vorbeigehen eine Nase voll mit. Weller registrierte das genau und entschied sich, sie gleich zum Essen einzuladen.
    Im Neuen Weg kauften sie in einer Drogerie drei Päckchen Haarfarbe, weil sie sich nicht einig werden konnten. Weller schlug ein »Lichtblond« vor, während Ann Kathrin sich zwischen einem »Platinblond« und »Aschcool gefrostetem Blond« nicht entscheiden konnte.
    Sie kamen sich durchtrieben vor, als seien sie wieder Jugendliche geworden und würden gerade einen Streich aushecken. Sie freuten sich diebisch auf das Haarefärben, doch als sie wieder an Shafie’s Speicher vorbeikamen, schlug Weller vor: »Lass uns erst hier was essen. Ich hab einen Bärenhunger.«
    »Ich auch«, gestand sie, packte ihn

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