Ostfriesenblut

»Wir sind da, Ann. Es ist alles vorbei. Lass ihn los. Du bringst ihn sonst um.«
    Sie öffnete die Augen und sah in Wellers Gesicht. Gleichzeitig riss sie ihre Arme auseinander. Hagemanns Kopf fiel zur Seite. Dann umarmte sie Weller, der sie fest an sich drückte.
    Susanne Möninghoff lag auf dem Boden und wälzte sich in ihrem Schmerz. Die Joggingjacke war am Rücken zerfetzt und versengt.
    »Ich könnte tot sein! Er hat … Die Kugel ist unter mir losgegangen … «
    Rupert durchschnitt die Fesseln der Frau. Aber sie umarmte ihn nicht, wie er erwartet hatte, sondern sie sank auf die Knie, weil ihr schwindlig war. Sie konnte noch gar nicht stehen.
    Ann Kathrin ließ jetzt Weller los und sah Susanne Möninghoff an. Sie beugte sich zu ihr herunter, dann umarmten die beiden Frauen sich und begannen jämmerlich zu weinen.
    Als Thomas Hagemann zu sich kam, trug er Handschellen und sah mehrere Wagen mit kreisendem Blaulicht im Regen stehen.
    Die Flut hatte ihren höchsten Punkt überschritten. Die Deiche in Ostfriesland hatten dem Druck der Wellen standgehalten. Die Ebbe brachte die erhoffte Erleichterung.
     
    Am nächsten Tag kam Eike in der ersten großen Pause ins Hans-Bödecker-Gymnasium. Er kam zwei Stunden zu spät. Aber dafür
brachte er seine Eltern mit. Ann Kathrin und Hero Klaasen. Er hatte seinem Schulleiter etwas zu erzählen. Über einen Koffer im Hauptbahnhof. Über einen Schüler, der andere schlug und erpresste. Und über eine Lehrerin, die gern an Nacktstränden badete.
    Er hoffte, dass die Anwesenheit seiner Eltern ihm Kraft geben würde. Und sie hofften es auch.
     
    ENDE

Impressum
    Covergestaltung: Hauptmann & Kompanie, München
    Coverabbildung: Heinz Wohner/Look Foto
    © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 2008
     
    Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
    Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
    ISBN 978-3-10-400085-5



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