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Ostfriesenblut

Ostfriesenblut

Titel: Ostfriesenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Vier waren tot, drei durch Selbstmord, einer durch einen tragischen Verkehrsunfall.
    In Greetsiel waren Ann Kathrin Klaasen und Weller mit dabei. Sie beobachteten die Aktion der Spezialeinheit, um dann eventuell den Täter direkt verhören zu können.
    Touristisch war diese Zeit für Greetsiel noch die Hauptsaison. Es war unmöglich, die Polizeiaktion vor den Augen der Touristen geheim zu halten. Auf Anweisung von Ubbo Heide wurden zwei Straßenzüge gesperrt. Es sollten auch keine Fußgänger durchgelassen werden. Er rechnete mit einer Schießerei, und auf keinen Fall wollte er Bilder von verletzten Touristen in den Medien sehen. Das alles hier sollte schnell, präzise und ohne die geringsten Verluste über die Bühne gehen.
    Es war märchenhaft schönes Wetter. Nur ein paar kleine Schäfchenwolken spendeten kurz Schatten. Jeder Zweite auf der Straße trug eine Sonnenbrille. Ein Supertag für Eisverkäufer und Straßencafés.
    Einige Urlauber hielten die Scharfschützen auf den Dächern und die vermummten Polizeikräfte für den gut inszenierten Teil eines Schauspielspektakels. Einer bat Ann Kathrin sogar um ein Autogramm. Es war ein junger Mann mit Nickelbrille. Er sah aus, als wäre er aus den Siebzigern übriggeblieben.
    Er war merkwürdig jungenhaft, ja fast spitzbübisch. Auf seiner Nase trug er ein Pflaster. Sie war dick geschwollen, als ob er von einer Biene gestochen worden wäre.
    »Ich habe so etwas schon mal erlebt«, sagte er. »Das war in einem Hotel in Wiesbaden. Im Oranje oder so ähnlich. Da gab es eine Schießerei, richtig mit Leiche und so. Und danach haben sich alle Gäste an der Aufklärung des Falls beteiligt. War eine tolle Schauspieltruppe, sag ich Ihnen. Und war voll sein Geld wert. 25  Euro inklusive Abendessen.«
    »Das hier ist echt«, sagte Ann Kathrin Klaasen.
    Er lachte. »Ja, ja, das haben die auch immer gesagt.«
    »Ich gebe keine Autogramme. Bitte ziehen Sie sich zurück. Das kann hier gefährlich werden. Ich zeige Ihnen gerne meinen Ausweis, wenn Sie wollen.«
    Er strahlte. »Ja, solche Ausweise hatten die auch alle.«
    »Hauen Sie ab, Mann!«, fuhr Ann Kathrin ihn an. »Das hier ist kein Witz! Sie gefährden sich und andere!«
    Er grinste sie breit an, hob die Arme, wedelte damit in der Luft herum, hüpfte von einem Bein aufs andere und rief: »Ach wie schön, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß!«
    In dem Moment gab Ubbo Heide das »Go!« Er hatte sich lange gegen den ständig wachsenden Einfluss der englischen Sprache gesperrt. Aber aus dem: »Zugriff! Jetzt!« war im Laufe der Jahre ein kurzes »Go!« geworden. Er wusste nicht, ob amerikanische Filme daran den größeren Anteil hatten oder die Ausbildung führender Kollegen in den USA . Inzwischen sagte er es auch, und jeder verstand ihn. »Go!«
    Die Haustür wurde eingeschlagen, während sich zwei hochspezialisierte Nahkämpfer vom Dach abseilten und jeder durch ein anderes Fenster in die Wohnung im zweiten Stock stieg.
    Die beiden wurden von allen nur
die Terroristenjäger
genannt, obwohl sie noch niemals einen Terroristen gefangen hatten. Außer im Fernsehen hatten sie überhaupt noch nie einen gesehen.
Doch sie brannten darauf, endlich all das, was sie gelernt hatten, einsetzen zu können. Dies hätte heute ihr großer Tag werden können. Aber dann verlief alles ganz unspektakulär. Die Wohnung war leer.
    Nachdem sich das Sondereinsatzkommando dreimal davon überzeugt hatte, dass sich nirgendwo noch jemand versteckt hielt, gaben sie die Wohnung für die Spurensicherung und ihre Kollegen aus Aurich frei.
    Als Ann Kathrin die Worte hörte: »Zielperson nicht angetroffen« und Weller schlicht »Scheiße« sagte, glaubte sie plötzlich, einen Fehler gemacht zu haben.
    Ann Kathrin rannte los.
    »Was ist?«, schrie Weller hinter ihr her.
    »Der Typ mit der Nickelbrille! Der verarscht uns nur!«
    Weller kapierte sofort. Er war sich nicht sicher, ob sie recht hatte, doch im Laufe der Zeit hatte er sich daran gewöhnt, dass ihre Gefühle oftmals seismographisch genau eine Situation erfassten und ihr Verstand dann daraus die richtigen Schlussfolgerungen ableitete. Jedenfalls war der Mörder nicht da oben, im zweiten Stock, in seiner Wohnung.
    Der Mann rannte weg, und Ann Kathrin hinterher. Für einen Moment überlegte Weller, was dagegen sprach, einfach die Waffe zu ziehen. Er stellte sich vor, wie es wäre, wenn er laut »Zur Seite! Auf den Boden! Werfen Sie sich auf den Boden!« rufen würde. Er hatte so etwas noch

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