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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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bist«. Aber stattdessen fragte er nur: »Aufgeschäumt?«
    »Wie?«
    »Die fettarme warme Milch. Aufgeschäumt?«
    Sie nickte. »Ja. Gerne.«
    Dann verließ sie das merkwürdige Künstlerhaus an der Norddeicher Straße. Sie ging zu Fuß zurück in den Distelkamp. Ihr Fahrrad hatte sie an der Backstube stehen lassen. Sie beschloss, es morgen abzuholen. Vielleicht auf dem Rückweg aus Heiner Zimmermanns Atelier.
     
    Sie kam sich durchtrieben vor. Leichtfüßig tänzelte sie nach Hause zurück und atmete die salzige Meerluft tief ein. Der Wind blies ihr jetzt direkt ins Gesicht und verengte ihre Augen zu Schlitzen. Es war, als könnte sie sich fallen lassen, um dann einfach nach Hause zu schweben. Der Wind kam ihr irgendwie tragfähig vor.
    Im Distelkamp lief sie gleich die Holztreppe hoch, hinein in das Zimmer von ihrem Exmann Hero, in den Tempel, den sie für ihren Vater gebaut hatte. Sie musste jetzt sein Bild sehen.
    »Ich werde ihn bald haben, Papa«, sagte sie. »Vielleicht ist es
gut, dass sie mich beurlaubt haben. So habe ich mehr Zeit, um mir deinen Mörder zu holen. Ich werde systematisch vorgehen. Sollen meine Kollegen sich nur darauf konzentrieren, Meuling wieder einzufangen. Ich werde mich ganz mit dem Leben von Volker Bogdanski beschäftigen. Ich werde all seine alten Kumpels finden. Den alten Verbindungen nachgehen. Er muss seine Komplizen schon vorher gekannt haben. Jetzt habe ich endlich einen Anhaltspunkt, Papa. Dein Tod wird nicht ungesühnt bleiben. Und ich werde deinen Namen reinwaschen. Nicht der Hauch eines Zweifels soll übrig bleiben … «
    Sie nickte, als müsse sie sich selbst recht geben. Dann kam sie sich plötzlich schrecklich pathetisch vor und war froh, in diesem Raum allein zu sein.
    Warum mache ich das jetzt, dachte sie. Ich hab doch gerade etwas ganz anderes im Sinn. Jage ich den Mörder meines Vaters, um mich von meinem eigenen Leben abzulenken? Werde ich morgen zu Heiner Zimmermann gehen oder nicht?
    Sie ging hinunter ins Badezimmer, suchte ein Öl aus und ließ die Badewanne voll Wasser laufen. Sofort roch das Badezimmer nach Orangen und Rosen. Das Badeöl war noch ein Weihnachtsgeschenk von Hero. Das Badewasser war ein bisschen zu heiß. Ihre Haut wurde krebsrot. Trotzdem gefiel ihr das Prickeln. Jetzt spürte sie den Alkohol noch mehr. Sie legte sich ganz in die Wanne, sodass nur noch ihr Gesicht herausguckte.
    Entspann dich, dachte sie. Entspann dich.
    Sie musste an Heiner Zimmermann denken und wie er über die Frauen auf seinen Bildern gesprochen hatte. Vielleicht ist er ja wirklich ein großer Künstler, dachte sie. Das sind nicht einfach irgendwelche schlüpfrigen Aktbilder. Im Gegenteil.
    Würde Frank sich wirklich darüber freuen? Wo konnten sie so ein Bild überhaupt aufhängen? Höchstens in ihrem Schlafzimmer. Auf keinen Fall dürfte er es mit in seine Junggesellenbude nach Aurich nehmen. Es hingen so viele ungelöste Lebensfäden
herunter. Diese Auricher Wohnung war auch so einer. Sie schafften es beide nicht, Entschlüsse zu fällen, klare Schnitte zu machen, Dinge zu beenden.
    Die Wohnung dort war längst sinnlos geworden und kostete nur noch Geld. De facto wohnten sie zusammen im Distelkamp und hatten auch nicht vor, etwas daran zu ändern. Die Scheidung musste eingereicht werden. Sie wollte endlich einen offiziellen Schlussstrich und eine finanzielle Regelung mit Hero.
    Sie reckte das rechte Bein aus der Wanne, dachte an morgen, und plötzlich fand sie die schwarzen Härchen auf ihren Beinen störend. Sie begann sich die Beine zu rasieren. Gleichzeitig wusste sie, dass damit eine Entscheidung gefallen war. O ja. Sie würde sich von Heiner Zimmermann malen lassen. Und nicht nur, um Frank ein Geburtstagsgeschenk zu machen, sondern um zu spüren, wie das ist, wenn sie die volle Aufmerksamkeit eines Menschen bekam für jeden Quadratzentimeter ihres Körpers.
    Nach dem Bad schlief sie im Wohnzimmer auf der Couch sofort tief und traumlos ein. Erst gegen fünf Uhr wurde sie durch Hundegebell geweckt. Sie reckte sich, verließ das Wohnzimmer und legte sich im Schlafzimmer noch einmal hin. Diesmal träumte sie. Sie stand im Combi an der Kasse, den Einkaufswagen voll mit Obst. Viele Erdbeeren und eine Kiste voller Bananen. An der Kasse saß Gisela. Gisela zwinkerte ihr zu. Gisela war nackt, aber die anderen Menschen konnten es nicht sehen. Für die anderen Kunden vom Combi trug sie einen Kittel mit einem Namensschildchen. Nur Ann Kathrin konnte ihre ganze Schönheit sehen,

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