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OstfriesenKiller

OstfriesenKiller

Titel: OstfriesenKiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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war als Nächster dran.
    Aber was sie jetzt sah, kam ihr noch schlimmer vor. Wenn sie wenigstens nur mit ihrem Hintern vor den beiden herumgewackelt hätte, na bitte. Aber hatte diese blöde Kuh ein Recht darauf, mit ihrer Familie die Spiele zu spielen, die ihr gehörten?
    Ihr Finger war schon fast auf der Klingel. Sie wollte rein und deutlich machen, was für eine Sauerei hier eigentlich ablief. Gleichzeitig schämte sie sich, und ihr wurde klar, dass nichts ihr gehörte. Das war nicht ihr Spiel und auch nicht mehr ihr Mann. Aber der Junge dort, das war immer noch ihr Sohn. Den konnte man ihr nie wegnehmen. Sie würde immer seine Mutter bleiben, egal, was geschah.
    Susanne Möninghoff stand jetzt ganz steif und warf dann den letzten Schein auf Hero. Die zwanzig Euro landeten auf seinem Kopf.
    »Ein Scheinwerfer! Du bist ein Scheinwerfer!«, rief Eike und lachte.
    Susanne Möninghoff klatschte ihm Beifall.
    »Bravo! Bravo! Darauf wär ich nie gekommen!«, gab Hero zu.
    Ann Kathrin spürte die Tränen erst, als sie ihre Unterlippe berührten. Sie wischte sich schnell übers Gesicht und verzog sich zurück zu ihrem Auto.
    Ihr wurde schwindlig.
    Ich muss etwas essen, dachte sie, etwas essen. Jetzt sofort. Zum Glück hatte sie noch das Brötchen vom Morgen in ihrer Handtasche. Jetzt kramte sie es hervor. Das Einwickelpapier war weich geworden und klebte am Brötchen fest. Das Salatblatt war schon welk, aber Wurst, Käse und Tomaten sahen noch einigermaßen akzeptabel aus. Ann Kathrin grub die Zähne hinein, riss ein großes Stück aus dem Brötchen und schlang es hinunter, obwohl noch Papier daran pappte. Sie fühlte sich tierisch dabei. Sie konnte jetzt nichts genießen. Sie wollte etwas mit ihren Zähnen zerfetzen. Sie spürte ihren Kiefer. Eine unglaubliche Kauwut. Am liebsten hätte sie Hero gebissen.
     
    Vor dem Freizeitheim stieg Paul Winter wütend auf sein Rad.
    Jutta Breuer schloss noch ab. Dann setzte sie sich einen Fahrradhelm auf. Sie hatte ihr Rad mit einem Zahlenschloss gesichert. Sie war so durcheinander, dass sie für einen Moment die Zahlenkombination vergessen hatte. Es war die gleiche wie für ihre Scheckkarte und für ihr Handy. »Du machst alles kaputt, Jutta. Alles. Du ruinierst hier den ganzen Laden. Das hätte Ulf nicht gewollt. Ich beschwöre dich, Jutta. Hör auf damit!«
    Sie fuhr herum und brüllte ihn an: »Jaja, ich weiß! Das, was mir fehlt, ist ein Kerl, der mich mal richtig durchknallt! Das denkt ihr doch alle, stimmt’s?«
    Vor der geballten Emotion wich Paul zurück.
    Jutta stieg in die Pedale und strampelte heftig los. Sie wollte ihm keine Möglichkeit mehr geben, noch etwas zu sagen.
     
    Ja, komm nur. Komm.
     
    Paul Winter radelte in die entgegengesetzte Richtung. Als er an den Mülltonnen vorbeifuhr, erwischte ihn ein Pfeil. Er durchschlug seinen Hals.
    Paul Winter stürzte mit dem Rad. Er konnte den Pfeil anfassen. Hinten aus seinem Nacken ragte das spitze Ende heraus, vorne konnte er die Federn sehen.
    Er wusste, dass hier um diese Zeit nur selten jemand vorbeikam. Er hätte höchstens die Chance, morgen früh von Kindern auf dem Schulweg gefunden zu werden. Er und Jutta Breuer hatten das Regenbogen-Freizeitheim als Letzte verlassen. Von dort war keine Hilfe zu erwarten.
    Zum ersten Mal im Leben bereute er, kein Handy zu besitzen. Aus antizivilisatorischem Hochmut heraus hatte er sich geweigert, durch so ein Gerät ständig erreichbar zu sein und immer zur Verfügung zu stehen.
    Paul stützte sich auf und erhob sich. Er musste sich selbst helfen. Er versuchte, querfeldein das nächste Haus zu erreichen. Er taumelte ein paar Schritte vorwärts, dann brach er zusammen.
    Dort auf der Straße stand jemand. Paul winkte. Er erkannte in der Dunkelheit nicht, wer da stand. Dann sah er den Bogen, mit dem der Pfeil auf ihn abgeschossen worden war.
    Der Bogen wurde erneut gespannt. Der Täter wollte sein Werk vollenden.
    Paul Winter stellte sich tot und wartete voller Angst auf die nächste Pfeilspitze, die sein Fleisch durchbohren würde. Er glaubte schon, den Schmerz zwischen den Schultern zu spüren.
    Doch der zweite Pfeil wurde nicht mehr abgeschossen. Pauls Täuschungsmanöver gelang.
    Er wagte nicht, sich zu bewegen. Er lag in der Wiese und wusste, dass er hier langsam verbluten würde. Keine fünfzig Meter vom nächsten Haus entfernt.
    Paul Winter begann zu zittern und zu frieren. Als er glaubte, endlich allein zu sein, versuchte er zu schreien, doch er bekam keinen Ton

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