OstfriesenKiller
Doppelkopf gespielt.«
»Doppelkopf? Das Kartenspiel?«
Sylvia nickte. »Ja. Ich glaub, jeden ersten Mittwoch im Monat.« Sie zählte auf: »Der Ludwig, der Ulf, der Kai, der Paul, der Josef und der Bernd.«
Ann Kathrin wiederholte die Namen und vervollständigte sie. »Du meinst, Ludwig Bongart, Ulf Speicher, Kai Uphoff, Paul Winter, Josef de Vries und Bernd Simon. Die haben jeden ersten Mittwoch zusammen Doppelkopf gespielt?«
»Nein, nicht jeden Mittwoch. Nur jeden ersten Mittwoch im Monat – glaub ich. Sie haben sich immer bei Ulf im Haus getroffen.«
Ann Kathrin aß inzwischen den vierten Trüffel. Sie tat es aus Trotz Hero gegenüber. Einerseits hatte er ihr immer vorgeworfen, dass sie schlecht gelaunt war, wenn sie eine neue Diät ausprobierte, andererseits gab er ihr deutlich zu verstehen, wie sexy er schlanke Frauen fand. Sollte sich doch Susanne Möninghoff für ihn kasteien und hungern. Sie würde es nicht mehr tun. Nicht einen Tag.
»Hast du Lust, mit mir zum Reiten zu fahren oder ins Kino zu gehen?«, fragte Sylvia. »Ich habe Pferde. Ich reite gerne. Ich kann sie dir vorstellen. Fabella, Udessa und Kadir. Die sind lieb. Die können zuhören. Ich sprech oft mit ihnen, wenn ich alleine bin. Die sind nicht so … wie die Menschen … Willst du mit mir zur Koppel fahren?«
Ann Kathrin schüttelte den Kopf. »Das tut mir wirklich leid, aber du kannst dir bestimmt vorstellen, wie viel Arbeit ich hier habe. Immerhin hat es drei Morde gegeben.«
»Und die musst du ganz alleine aufklären?«
»Nein, natürlich nicht. Ich habe ja noch Mitarbeiter.«
»Na, dann kannst du doch jetzt freinehmen.«
Ann Kathrin hob die Hände und ließ sie wieder in ihren Schoß fallen. »Das wäre wirklich schön, Sylvia. Aber es geht nicht. Ich muss Geld verdienen.«
Sylvias Gesicht hellte sich auf. Sie hatte eine Idee. Sie setzte sich anders hin und sagte: »Ich habe Geld. Ich kann dir Geld geben. Dann musst du nicht mehr arbeiten.«
Ann Kathrin sah sich Sylvia genau an, wie sie da saß, in ihrem Minirock mit ihrer geringelten Strumpfhose und dem viel zu dick aufgetragenen Lippenstift. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, dass Sylvia so ein Angebot nicht zum ersten Mal machte. Wie reagierten Männer darauf? Männer wie Tim Gerlach?
Sylvia deutete Ann Kathrins Schweigen falsch. So, als hätte sie nicht verstanden, worum es ging, beklagte sich Sylvia: »Immer müssen alle arbeiten. Nie hat einer Zeit. Wie viel verdienst du denn im Monat? Ich geb dir gerne …«
Ann Kathrin wehrte ab. »Bitte, Sylvia, erniedrige dich nicht so. Du kannst doch meine Zeit nicht kaufen.«
»Warum nicht? Die anderen tun das doch auch. Mein Opa hat immer gesagt, Zeit ist Geld. Komm – lass uns ins Kino gehen. Es läuft ein neuer Zeichentrickfilm, der soll total lustig sein …«
»Hast du Tim auch so ein Angebot gemacht?«
Sylvia starrte auf ihre Knie. Sie genierte sich. In dem Moment klingelte das Telefon. Ann Kathrin behielt Sylvia im Auge. Sie las aus ihrer Körperhaltung und ihren Gesten: Diese junge Frau war schutzlos jeder Plünderung ausgeliefert. Sie war wie ein Supermarkt mit prallgefüllten Regalen, in dem es keine Kassen gab. Jeder konnte reingehen und sich nach Herzenslust bedienen.
Wie gut, dachte Ann Kathrin, dass Jutta Breuer einen Riegel davorgeschoben hat.
Sie meldete sich mit: »Ja, hier Ann Kathrin Klaasen«, und wusste gleich, dass Rupert am Apparat war. Es war seine Art, die Sprechmuschel zu nah an die Lippen zu halten. Sie konnte seinen Atem hören.
Er war aufgeregt: »Der Fall nimmt eine gute Wendung, Ann.«
»Wieso? Haben wir den Mörder?«
Rupert stöhnte: »Nein, das nicht. Aber wir sind einen Schritt weiter. Unser Verdacht war richtig. Die französischen Kollegen haben sich gerade bei uns gemeldet. Nicole Bassermann hat den Wohnwagen von Georg Kohlhammer gegen eine Laterne gesetzt.«
»Und?«
»Er ist nicht bei ihr. Angeblich haben die beiden sich verkracht. Er hat sie mit dem Wohnwagen sitzenlassen und …«
Ann Kathrin ließ Rupert gar nicht weiterreden. »Das heißt, er ist wieder hier?«
»Zunächst mal heißt es, dass er für alle drei Morde kein Alibi hat. Und seine kleine Freundin Nicole schildert ihn als jähzornig und völlig unberechenbar. Ich wette, er hat ihr ein paar reingehauen, bevor er sich verdrückt hat. Wir checken bereits die Flughäfen, aber ich glaube eher, dass er sich ein Auto geliehen hat, um zurückzukommen. Oder vielleicht kommt er auch mit der Bahn …«
Ann Kathrins Hals
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