Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
Blaulicht und Sirene dahin düsen«, erklärte Ubbo Heide. »Da würde die gute Frau sich bedanken.«
Ludwig Schwindelhausen machte eine wegwischende Handbewegung. »Die Frau muss davon überzeugt werden, dass wir hochqualifizierte Spezialisten sind und dass sie nur mit uns eine Chance hat, ihr Kind zurückzubekommen.«
Weller atmete einmal tief durch, bevor er antwortete. Das hatte Ann Kathrin ihm geraten, und damit fuhr er im Regelfall auch sehr gut.
»Sie wird nicht besonders gut auf euch zu sprechen sein. Immerhin ist jetzt ihr zweites Baby weg.«
»Wir sollten«, schlug Ubbo Heide vor, »den Kollegen Weller jetzt nicht mit irgendwelchen Instruktionen vollstopfen, damit er sich gleich kaum noch bewegen kann, sondern wir müssen glücklich sein, dass es noch jemanden gibt, dem Frau Müller vertraut.«
»Meinetwegen«, sagte Schwindelhausen und zog jetzt seine letzte Trumpfkarte, die Weller als unglaubliche Erniedrigung empfand. »Aber bevor der Mann losfährt, wird er verkabelt.«
»Verkabelt?«, fragte Weller und sprach das Wort aus, als hätte er die Bedeutung überhaupt nicht begriffen.
Schwindelhausen antwortete nicht Weller, sondern sprach nur in Richtung Ubbo Heide. Hier unterhielten sich zwei Chefs miteinander, das wollte er damit wohl ein für alle Mal klären.
»Jedes Gespräch wird mitgeschnitten. Dies ist eine äußerst sensible Geschichte. Und wenn Sie oder einer Ihrer Leute das vergeigen, dann …« Er ballte die Faust und machte eine Geste, als würde er ein Insekt in der Luft fangen, zu Boden werfen und dann mit dem Fuß zertreten.
»Ja«, sagte Ubbo Heide und wischte sich mit der Hand Schweiß von der Oberlippe. »Das nenne ich doch Mitarbeiter motivieren. Da können wir wirklich noch etwas von euch lernen.«
»Und was sollen wir in der Zeit tun?«, fragte der Dicke mit der Himmler-Brille. Er hatte so lautes Magenknurren, dass alle es hören konnten.
»Wir werden abwarten, bis Herr Wöllner sich bei uns meldet und Bericht erstattet. Und in der Zeit bereiten wir ein Team für die Geldübergabe vor. Ich brauche zwei Hubschrauber …«, sagte Schwindelhausen und wischte sich die silbergrauen Haare theatralisch aus der Stirn.
Weller hörte den Rest der Aufzählung nicht mehr. Er wurde verkabelt und bekam einen fünfzehn Jahre alten, dunkelblauen Golf, der unauffällig genug war. Dann düste er los in Richtung Norddeich.
Die Pflaster juckten auf Wellers Haut. Am liebsten hätte er sich die ganze Verkabelung vom Körper gerissen. Er hatte nicht mal Lust, Radio zu hören, weil er nicht wollte, dass die anderen mitbekamen, welchen Sender er einschaltete. Er fühlte sich in seiner Privatsphäre auf erschütternde Weise angegriffen.
Gleichzeitig kam er sich lächerlich dabei vor und fand seine eigenen Gefühle nicht richtig. Irgendwie unprofessionell. Vielleicht hatte Schwindelhausen ja recht, und wenn er noch so ein arrogantes Arschloch war. Aber die Gespräche mussten ausgewertet werden, da gehörten Psychologen ran. Immerhin ging es um die Entführung von zwei Kleinkindern.
»Ich geh nicht zurück«, sagte Lucy und machte dabei einen so entschlossenen Eindruck auf Benne, dass er erschrak. So einen Gesichtsausdruck kannte er nicht von seinen Freundinnen, sondern höchstens von fanatisierten, zu allem entschlossenen Talibankämpfern, die einen Anschlag ankündigten.
Er versuchte erst gar nicht, ihr zu widersprechen, sondern fragte nur zaghaft: »Willst du etwa hierbleiben?«
Dabei machte er eine Geste mit den Armen quer durch den Wohnwagen, so als sei dies ja wohl völlig undenkbar, und sie hätte bereits ein anderes Domizil im Sinn.
»Klar«, sagte sie. »Oder geht das nicht?«
Noch vor zwei Tagen hätte er sich nichts Schöneres vorstellen können, als eine Zeit mit ihr allein in diesem Wohnwagen zu verbringen, aber jetzt sah alles anders aus.
»Hier sucht mich wenigstens keiner«, sagte sie, und er konnte ihre Angst riechen. Sie schwitzte, und das lag nicht nur an der aufgestauten Wärme in diesem engen Raum.
Benne kippte ein Fenster und fischte für sie ein Jever aus dem Kühlschrank. Er öffnete die Flasche und stellte sie vor Lucy auf den Tisch. Doch sie rührte das Getränk nicht an.
»Du willst mir nicht helfen, stimmt’s?«, fragte sie. »Ich bin dir zu schwierig. Das alles wird dir viel zu kompliziert. Du hattest dich auf ein bisschen fröhlichen, unverbindlichen Urlaubssex gefreut, und ich mach nur Probleme …«
Er nickte. »Naja, nicht, dass du jetzt denkst, ich sei
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