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Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Titel: Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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macht Spaß, immer nur stark zu sein?«
    Weller hätte sie am liebsten in den Arm genommen, aber er wusste, welchen Spott das in der Zentrale auslösen würde. Die Verkabelung begann auf seiner Haut geradezu zu brennen. Er spürte den Impuls, sein Hemd auszuziehen und sich die Mikros vom Körper zu reißen, um sie auf dem Boden zu zerstampfen wie eine Zigarettenkippe.
    In dem Moment klingelte es an der Tür. Weller nutzte die Gelegenheit, um aufzustehen.
    »Bleiben Sie ruhig sitzen. Ich sehe nach.«
    Vor der Tür wartete eine junge Frau mit glatten, braunen Haaren und dunklen Augen. Sie trug einen knielangen, schwarzen Rock und eine Rüschenbluse mit einer Weste darüber. Die pinkfarbene Brille rahmte wunderschön ihre Augen ein. Ihre Hautfarbe sah nach drei Wochen Sonnenurlaub aus.
    Weller fand sie fast atemberaubend schön und gesund. Er vermutete, dass sie Vegetarierin war, regelmäßig Sport trieb und nur in Maßen Alkohol zu sich nahm, wenn überhaupt.
    Sie strahlte ihn an. »Sind Sie Herr Schacht? Mein Name ist Viola Münchmann. Mich schickt das Jugendamt. Ich bin bei der betreuenden Familienhilfe. Wir haben gehört, dass Sie Unterstützung brauchen …«
    Hinter Wellers Rücken fing Gundula Müller laut an zu schluchzen. Sie warf etwas gegen die Wand. Weller hoffte, dass es nicht das Handy gewesen war, die einzige Möglichkeit, Kontakt mit dem Entführer aufzunehmen.
    Sie schrie: »Zu spät! Zu spät! Zu spät!«

    Kriminaldirektor Ludwig Schwindelhausen befürchtete, dass die Auswirkungen dieses Desasters zu einem Knick in seiner bisherigen Karriere werden könnten. Die zweite Entführung war unverzeihlich.
    Sie hatten Wolfgang Müller für den gesamten fraglichen Zeitraum unter Beobachtung gehabt, er schied damit als Täter im Prinzip aus – ja, aber eben nur im Prinzip. In der Praxis sah alles ganz anders aus. Seine Freundin, Angela Riemann, hatte die Ferienwohnung im Fischerweg verlassen und war beim Pfannkuchenhaus Norddeich laut Bericht »verloren gegangen«, was ein netter Ausdruck dafür war, dass Püppi, wie er die Kollegin nannte, die sich gern männlicher gab als alle Machos, die er kannte, von der Situation überfordert, die Kontrolle verloren hatte. Statt Verstärkung anzufordern, hatte sie versucht, Frau Riemann wiederzufinden, was ihr aber nicht gelungen war. Müllers Lebensgefährtin kam dann nach zwei Stunden zum Fischerweg zurück.
    Das alles wäre nicht weiter schlimm gewesen und vermutlich nicht einmal jemandem aufgefallen, wäre nicht genau in dem Zeitraum die kleine Ina entführt worden.
    Schwindelhausen diktierte ein Memo. Er schob die Schuld auf Kommunikationsschwierigkeiten mit den schwerfälligen und wenig kooperativen Kollegen vor Ort. Außerdem auf den chronischen Personalmangel in seiner eigenen Truppe und die unzumutbare Bugwelle von Überstunden, die sie vor sich herschoben. Für eine Rund-um-die-Uhr-Observation von zwei Leuten plus unauffälligem Polizeischutz für ein Baby hatte er einfach nicht genug Leute. Zudem war die Familie nicht bereit, sinnvoll mit der Polizei zusammenzuarbeiten, und musste sich daher eine Teilschuld zurechnen lassen.
    Er würde auch diesen Tsunami an Problemen überstehen, da war er sich sicher. Aber er spürte, welch mächtige Wellen sich da weit draußen im Meer aufbauten. Im Moment zog sich das Wasser noch zurück, um Kraft zu sammeln für den Großangriff auf die Deiche. Bis das Inferno losging, wollte er seine Arbeit hier erledigt haben. Bevor die Monsterwelle aus Vorwürfen Ostfriesland flutete, wollte er wieder in Hannover sein. Sollten die Ostfriesen doch alleine untergehen. Er sah seine Zukunft ohnehin im Innenministerium. Da würde es ihm gut zu Gesicht stehen, beide Kinder rasch zu finden und zu retten.
    Wenn etwas schiefging, wollte er das diesem Ubbo Heide ankleben. Der saß sich ohnehin in Aurich nur den Arsch breit und fieberte seiner Pensionierung entgegen.
    Die Gesprächsführung von diesem Weller war auch unter aller Sau. Den würde er nur zu gern zur Schlachtbank führen. Noch hielt Ubbo Heide schützend die Hand über ihn, lange würde das aber nicht mehr gut gehen, orakelte Schwindelhausen.
    Kriminalrat Ludwig Schwindelhausen hatte alles im Leben wie eine Schachpartie geplant. Seine Karriere. Seine Ehe. Seine Affären. Er plante immer mindestens drei Züge im Voraus. Das Problem für ihn war, dass diese Ostfriesen so unberechenbar waren. Sie verhielten sich nicht logisch. Das machte es schwer, ihre nächsten Schritte

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