Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
pressewirksam trockenlegen?«
»Ich vermute, dass wir dort das Skelett finden«, sagte Weller. Den Rest seiner Vermutung sprach er nicht aus, sondern schwieg.
Ann Kathrin kannte diese Art von ihm und ermunterte ihn: »Was noch, Frank? Komm schon.«
»Naja, ich glaube, also, ich befürchte, das wird nicht die einzige Arbeit von dem Dreckskerl sein.«
Ubbo Heide brauste auf und fuhr aus seinem Stuhl hoch, wie es sonst gar nicht seine Art war. »Wie kommst du darauf, dass er noch mehr Mädchen …«
Weller sagte nichts mehr, doch Ann Kathrin nahm den Gedanken auf. »Da hat sich jemand sehr lange mit einem toten Körper beschäftigt und ist nicht aufgefallen. Nach der Entsorgung wird nun eine Lücke für ihn entstehen. Ich glaube, wer so krank ist, hört nicht einfach auf …«
Rieke rührte nervös in ihrer Teetasse herum. Das Geräusch ging Ubbo Heide sichtlich auf die Nerven, aber er sagte nichts.
Weller versuchte, sie mit einem Scherz zu stoppen, weil das kreisende, kratzende Geräusch immer lauter wurde: »Der Ostfriese an sich benutzt den Teelöffel nicht zum Umrühren, wie wir alle wissen, sondern legt ihn nur in die Tasse, damit die Gastgeber wissen, wann er genug hat …«
Rieke bezog seine Worte überhaupt nicht auf sich, oder hörte sie nicht einmal. Jedenfalls drehte sich ihr Löffel weiter klirrend in der Tasse.
»Hat er der Puppe etwas eingeführt?«, fragte Ann Kathrin.
Weller wusste nicht genau, worauf sie hinauswollte, sah sie an, zuckte mit den Schultern und machte ein ratloses Gesicht.
»Ein Röhrchen in die Vagina?«, fragte Ann Kathrin weiter, und Ubbo Heide hustete ein paar Marzipankrümel aus. Selbst Rieke sah von ihrer Teetasse hoch.
Ann Kathrin setzte sich anders hin. »Was guckt ihr mich so an? Der erste aktenkundige Nekrophilist war Carl von Cosel. Er stahl die Leiche seiner Geliebten, stopfte sie aus, präparierte sie irgendwie und baute ihr eine Vorrichtung ein, um weiterhin Geschlechtsverkehr mit ihr ausüben zu können.«
Wellers Unterlippe klappte herunter. Mit offenem Mund saß er da und machte einen etwas dümmlichen Eindruck. Sylvia Hoppe reagierte ähnlich. Rieke Gersema schob die Tasse jetzt weit von sich weg, als würde sie davon angewidert.
Ubbo Heide setzte sein dienstliches Pokerface auf, hatte aber Mühe, die Rolle beizubehalten.
Ann Kathrin führte weiter aus: »Er war deutscher Arzt. Er kam als Einwanderer in die USA und lebte in Florida. Seine Geliebte, ich glaube, eine Kubanerin, starb sehr jung kurz nach der Hochzeit. Naja, und dann hat er sie eben präpariert. Ihrer Schwester kam das alles irgendwann komisch vor, sie ließ den Sarg öffnen, und der war leer. Man fand die präparierte Leiche auf seinem Bett. Sie hatte ihr Hochzeitskleid an.«
»Wann war das?«, fragte Sylvia Hoppe, als würde das irgendeine Rolle spielen.
»1950, vielleicht 1960«, antwortete Ann Kathrin.
»Verdammt, woher weißt du solche kranke Scheiße?«, wollte Weller wissen.
Ein Lächeln huschte über Ann Kathrins Gesicht. »Das ist Kriminalgeschichte, Kollegen.« Dann fuhr sie fort: »Er wurde mehrfach von Psychologen untersucht, aber es wurde keine Geisteskrankheit bei ihm attestiert. Sofern man Nekrophilie an sich nicht als Geisteskrankheit bezeichnen will.«
»Und was willst du uns damit sagen?«, fragte Sylvia Hoppe.
»Dass wir es nicht mit einem offensichtlich Verrückten zu tun haben, sondern unter Umständen mit einem Menschen, der unauffällig und angepasst lebt. Von Cosel fiel niemandem durch irgendwelche Schrulligkeiten auf, außer vielleicht durch die übergroße Liebe zu seiner Frau.«
»Hat er sie«, fragte Rieke Gersema, als sei sie plötzlich aus einem Schlaf erwacht, »umgebracht?«
Ann Kathrin schüttelte den Kopf. »Nein, nein, keineswegs. Sie starb an Tuberkulose. Er hat sie gepflegt und zunächst glaubte er, er könne sie wieder zum Leben erwecken. Er hat Experimente mit Stromstößen gemacht, und erst, als das alles nicht klappte, präparierte er sie.«
Weller schüttelte sich, so sehr gruselte es ihn. Doch er pflichtete Ann Kathrin bei: »Das entspricht im Grunde auch dem, was die Gerichtmedizin sagt. Es ist durchaus denkbar, dass das Kind einfach gestorben ist. Wir können zwar einen gewaltsamen Tod nicht ausschließen, aber denkbar wäre auch, dass jemand sein Kind nach der Beerdigung aus dem Sarg geholt hat und dann …«
»Das würde bedeuten«, sagte Ubbo Heide, »wir hätten große Probleme, die Identität des Kindes zu klären. Wir würden es
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