Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
Abenteuer.
Ihr Herz schlug bis zum Hals. Sie konnte es hören, und das Stöckchen in ihrer Hand zitterte, aber sie stand wirklich in der Wohnung.
Der Geruch der Duftbäumchen war durchdringend. Ihr wurde fast übel davon.
Wie kann jemand so etwas schön finden, dachte sie. Was sollte damit übertüncht werden? Gab es hier eine offene Kloake?
Nein, diesen Ton machte keine Frau beim Geschlechtsverkehr. Eher schon eine kleine, gequälte Katze, die irgendwo festsaß.
Beate blieb ganz still stehen und lauschte. Dann hörte sie eine weibliche Stimme.
»Psst! Alles ist gut, mein Liebling. Ganz ruhig. Lass es einfach nur zu. Ich werde dich sehr glücklich machen. Du ahnst nicht, wie schön das ist …«
Beate hatte genug gehört. Na warte, dachte sie und pirschte los.
Fast lautlos bewegte sie sich durch einen kleine Flur mit vergilbter Tapete. Sie atmete noch einmal tief durch, dann öffnete sie schwungvoll die Tür, wo sie ihren Mann mit ihrer Geliebten vermutete.
Zunächst sah sie nur diese Frau, über einen Tisch gebeugt. Doch darauf aalte sich nicht Rupert, sondern ein nacktes Baby. Auf einem Beistelltischchen lag ein silbernes Tablett. Und darauf Operationswerkzeug.
Wundspreizer. Klemmen. Blasenspritzen. Tupferzangen. Skalpellklingen. Kirschnerdrähte und eine Hohlmeißelzange.
Die Frau drehte sich um, und ihr Blick lähmte Beate. Mit ihrem Mut war es wie mit ihrem Regenschirm: Wenn sie ihn wirklich brauchte, dann war er nicht da.
Frank Weller verschluckte sich an seinem durchgeweichten Krabbenbrötchen und hustete, als er im Fischteichweg in Aurich in seinem Büro saß und die Nachrichten guckte. Mit seiner lächerlichen Föhnfrisur sah der Innenminister aus wie ein eitler Geck, der sich für unwiderstehlich hielt, mit dem Frauen aber höchstens aus Mitleid ausgingen oder weil es für ihr berufliches Fortkommen unabdingbar war.
Er sprach von einer dringend tatverdächtigen Frau, wollte aus ermittlungstaktischen Gründen aber keine näheren Angaben machen, was besonders dadurch konterkariert wurde, dass Sekunden vor seinem Auftritt im Fernsehen ein Foto von Angela Riemann gezeigt worden war. Angeblich wurde sie als Zeugin gesucht und die Bevölkerung um ihre Mithilfe gebeten.
»Na prima«, hustete Weller, »jetzt weiß sie wenigstens, dass wir sie für verdächtig halten und keineswegs nur als Zeugin suchen.«
Schrader sammelte Brötchenkrümel und Krabben, die auf seinem Hemd gelandet waren, auf und fragte: »Kann das weg, oder isst du das noch?«
»Der … der macht nur Scheiße«, sagte Weller und zeigte aufs Fernsehen. »Als gesuchte Zeugin hätte sie sich möglicherweise gestellt, aber jetzt …« Weller klopfte sich gegen die Stirn. »Die ist doch nicht bescheuert.«
»Naja«, sagte Schrader, »wenigstens wissen die Leute jetzt, dass wir einen Innenminister haben und wie der Kerl aussieht.«
»Ja, dafür hat der sich extra diese Clownsfrisur zugelegt«, grinste Weller und stopfte sich die letzten Reste seines Fischbrötchens in den Mund.
Schrader grinste. »Ja, so sahen in den fünfziger Jahren Traumprinzen aus.«
»Warum ruft die Pfeife sie nicht gleich an und warnt sie?«, schimpfte Weller mit vollem Mund.
Angela Riemann saß in Norden in der Gaststätte Godewind und aß eine Scholle Finkenwerder Art, als ihr Handy piepste. Ihre Freundin Eveline Siegert aus Bottrop schickte ihr eine SMS:
Guckst du gerade Nachrichten?
Die Polizei sucht dich!
Die Ereignisse hatten sich in den letzten Tagen so sehr überschlagen, dass Angela völlig durch den Wind war. Sie fühlte sich ungeliebt, benutzt, missbraucht, hingehalten. Es ging ihr schrecklich. Sie hatte einen brennenden Hass auf Männer und auf die ganze Welt entwickelt.
Sie hatte vor, sich umzubringen. Sie wollte Schluss machen. In der Frisia-Apotheke hatte sie sich mit genügend Schlaftabletten eingedeckt. Sie wollte langsam hinüberdämmern in eine andere, hoffentlich friedliche Welt und endlich ihre Ruhe haben. Das alles musste aufhören. So ging es nun wirklich nicht mehr weiter.
Ich kann die Dinge nicht mehr richten, dachte sie, höchstens mich selbst.
Sie spürte keine Kraft mehr in sich, ihr Leben zu verändern. Sie hatte nicht mal Lust, einen Versuch zu machen. Irgendwie hatte sie alles gegen die Wand gefahren. Rückwirkend betrachtet kam ihr ihr Leben vor wie eine Reihe verpasster Züge und eine Anhäufung getroffener Fehlentscheidungen. Andere hatten Männer, Kinder, Berufe, Familien. Und sie? Was hatte sie?
Bevor sie aus dem
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