Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
dreimal Fraukes Handy an, aber dort meldete sich immer nur die Mailbox. Er versuchte auch, Beate zu erreichen, ebenfalls erfolglos.
Er stellte sich vor, dass die beiden Frauen sich gegenübersaßen und angifteten. Vielleicht war es aber auch schlimmer und zwischen ihnen war längst Einigkeit entstanden darüber, was für ein lausiger Liebhaber er war, was für ein untreuer, unzuverlässiger Mann und, wenn er Pech hatte, entschieden sie bereits über seine Zukunft. Er hatte dabei nicht mal mehr ein Wörtchen mitzureden.
Er erinnerte sich an einen Filmdialog. Betrogene Frauen können zu Furien werden , hatte da jemand gesagt, und jetzt befürchtete Rupert das Schlimmste. Am liebsten wäre er mit einem Mobilen Einsatzkommando aufgetaucht, um sich abzusichern. Aber vielleicht war ja alles auch gar nicht so schlimm, und er erwischte Frauke allein im Haus. Dann, stellte er sich vor, könnte er sie überzeugen, Beate irgendwie abzuwimmeln.
Doch vermutlich wollte Beate gar nicht mit Frauke reden, sondern nur mit ihrem eifersüchtigen Ehemann. Ihm würde sie alles stecken, und Rupert hoffte, noch rechtzeitig zu kommen, um den Typen daran zu hindern, Frauke zu verhauen. Oder am besten, Beate daran zu hindern, es ihm zu erzählen.
Rupert gab Gas.
Er wurde auf der A 31 geblitzt. Er fuhr zweiunddreißig Stundenkilometer zu schnell. Egal, dachte er. Alles völlig egal. Und wenn sie mir den Führerschein abnehmen. Sollen sie ihn doch haben!
Rupert parkte auf dem Feldweg und ging die letzten Meter zu Fuß. Beates Auto hatte er nirgendwo gesehen, was ihn sehr erleichterte. Entweder kam er noch früh genug oder sehr viel zu spät, und hier war alles bereits gelaufen.
Das Haus sah friedlich aus, wie ein Hexenhäuschen in der Abenddämmerung. Drinnen leuchtete kein Licht. Es waren aus dem Haus keine Geräusche zu hören. Mehrere Vögel stritten sich, wenn Rupert sich nicht täuschte, waren es Saatkrähen. Für Rupert war ihr Gekrächze geradezu symbolisch für einen Ehekrach.
Der Klingelknopf sah aus, als sei er mindestens so alt wie das Haus, und Rupert hegte Zweifel, ob das Ding überhaupt funktionierte. Aber drinnen ertönte ein Glöckchen. Mit Kinderschrift geschrieben, fast verwittert, las er den Namen Mannigs.
Frauke öffnete ihm sofort, als habe sie hinter der Tür gewartet. Sie sah anders aus als sonst. Ihr Blick war eisig, stechend. Ihre Haare hingen wirr herunter.
Rupert folgerte daraus, dass sie die Auseinandersetzung mit ihrem Mann bereits hinter sich hatte. Trotzdem fragte er mit einem letzten Funken Hoffnung: »War meine Frau schon hier? Hat sie deinem Typen alles erzählt?«
Frauke zog ihn ins Haus.
Rupert registrierte all die Puppen, aber er merkte nicht, dass mit ihnen etwas nicht stimmte. Er hatte sich schon als kleiner Junge nie für Puppen interessiert, sondern immer mit Autos gespielt, mit einer Ritterburg und mit zwei silbernen Colts.
Die vielen Duftbäumchen, die von der Decke hingen, machten ihm das Atmen schwer. Er konnte den Impuls, die Fenster aufzureißen, nur mit Mühe unterdrücken.
Wie kann jemand bloß zwischen all diesen Düften, die sich am Ende zum Gestank vereinigen, leben, fragte er sich.
»Deine Frau weiß alles«, sagte Frauke.
»Ich werde mit ihr reden«, versprach Rupert, »damit sie deinem Mann nichts erzählt.«
Frauke lächelte. »Mein Mann ist nicht da. Bist du gekommen, um mir zu helfen? Willst du mit mir abhauen? Komm, wir lassen alles hinter uns. Diese beschissene Moorgegend, die ohne Touristen mindestens so tot ist wie deutsche Museen an Heiligabend.«
Rupert fand diesen Vergleich merkwürdig, sagte aber nichts dazu. Sie klebte plötzlich an ihm, presste ihren Körper gegen ihn, streichelte mit der rechten Hand durch seine Haare, und er spürte die Fingernägel ihrer linken auf seinem Rücken.
»Lass uns gemeinsam abhauen, Geliebter. Drehen wir der Welt den Rücken zu. Wie viel kannst du flüssig machen? Wir brauchen nicht viel. Irgendwo einen Strand, und dann fangen wir neu an. Ich hab ein bisschen was gespart.«
Er versuchte, sich aus ihrem Griff zu befreien, was ihm schwerfiel, da er ihr nicht wehtun wollte.
»Schlaf mit mir«, sagte sie. »Jetzt. Hier. Lieb mich. Und dann hauen wir gemeinsam ab.«
Frau Professor Dr. Hildegard fuhr jetzt eine Taktik, die Ann Kathrin sofort durchschaute. Sie verbündete sich mit Weller.
Sie kratzte sich mit dem Fingernagel am Oberschenkel, wobei sie scheinbar unabsichtlich ihr Kleid ein bisschen lüften musste. Natürlich genau
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