Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Titel: Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
probierte vom Gebäck. Sie war offensichtlich Linkshänderin.
    »Ist etwas mit ihm?«
    »Es geht ihm gut, wenn Sie das meinen. Erzählen Sie mir, was Sie über ihn wissen.«
    Jetzt goss sie sich Tee ein und machte ein Gesicht, als könnte es eine längere Geschichte werden.
    Das Büro war durch eine große Glaswand zum Gang hin einsehbar.
    Immer wieder gingen Leute vorbei, schenkten den beiden aber kaum Beachtung. Frau Roth begann bei sich selbst.
    »Meine Mutter ist tödlich verunglückt, als ich zehn war. Ich bin danach ziemlich ausgerastet. Ich kam mit der neuen Freundin meines Vaters nicht klar. Ich bin ausgerissen. Zigmal bei Diebstählen erwischt worden. Immer nur Kleinkram. Schokoriegel. Cola. Chips. Dann kamen Einbrüche in Kaufhäuser und Autos. Ich habe gekifft wie ein Rastafari. Es gab ein Jahr, da war ich nur an drei Tagen in der Schule, weil die Polizei mich hingebracht hat. Ich habe mir Wunden zugefügt.«
    Sie krempelte ihr Hemd auf und zeigte ihm die Narben auf dem rechten Unterarm.
    »Sie haben sich selbst geritzt?«
    »Ja, und verbrannt. Mit Vorliebe habe ich Zigaretten auf mir selbst ausgedrückt, so sehr habe ich mich gehasst.«
    Rupert sah sie nur an. Er schwieg. Es beeindruckte ihn, wie radikal diese junge Frau von sich sprach. Es nahm ihn für sie ein und erschreckte ihn auch ein wenig. Sie schien es geradezu zu genießen, in dieser Art über sich selbst zu sprechen.
    »Ich hatte mit vierzehn drei Selbstmordversuche hinter mir. Ohne Dr. Ollenhauer säße ich garantiert gar nicht hier.«
    »Soso …«
    »Ja.« Sie nickte heftig und blickte sich zum Fenster um. »Er hat mich aus dem Heim geholt und mir eine Chance gegeben.«
    »Sind Sie mit ihm auf Safari gewesen?«
    »Nein, auf einem Segeltörn.«
    Ihr Blick fokussierte ihn nicht mehr. Sie schien durch ihn durch zu sehen, in eine ferne Zeit. »Vier Monate. Wir haben gefischt und …«
    Sie schwieg und setzte sich hin, als wollte sie im Kinosessel einen Film anschauen. »Es war harte Arbeit. Er hat uns echt hart rangenommen. Wir haben nicht nur Segeln gelernt, sondern Fische zu fangen und auszunehmen, Speisen zuzubereiten und …«
    »War Dr. Ollenhauer die ganze Zeit mit an Bord?«
    »Ja, er und Nils.«
    »Nils Renken? Der Architekt aus Delmenhorst?«
    »Ist der Architekt?«
    »Ja. Ein recht berühmter sogar.«
    Sie trank Tee und zerkrachte ein Kluntje mit den Zähnen.
    Rupert wollte wissen, welche Jugendlichen noch dabei waren, aber sie erzählte stattdessen, Dr. Ollenhauer, den sie Dave nannte, sei selbst nicht der große Segler gewesen, das sei eher Nils’ Sache gewesen. Dave habe ihr stattdessen beigebracht, Köderhaken zu basteln und Fischschwärme zu finden.
    »Es war eine verdammt gute Zeit«, sagte sie. »Danach habe ich sogar aus eigenem Antrieb versucht, Abitur zu machen.«
    Sie lächelte. Die Stiftung habe ihr die Wohnung gezahlt und ein Taschengeld dazu, aber sie hätte am Ende doch abgebrochen. Jetzt sei sie seit zwei Jahren hier bei Doepke. Nach einer Anlernphase, in der sie viel Fingerfertigkeit bewiesen habe, sei sie in die Auslöserfertigung gekommen. Dort wolle sie auch gern bleiben, weil die Kollegen in Ordnung seien und die Arbeit Sinn mache.
    Rupert wartete, bis eine Personengruppe an der Scheibe vorbei gelaufen war. Dann fragte er sie direkt: »Sind Sie von Dr. Ollenhauer oder Herrn Renken sexuell belästigt worden?«
    Svenja Roth wollte sich einen neuen Kluntje aus der Schale nehmen. Jetzt erstarrte sie in der Bewegung. Ihre Pupillen verengten sich. Ihre Lippen wurden so schmal, dass sie fast verschwanden. Sie saugte Luft ein, atmete aber nicht wieder aus. Irgendwie schien die Zeit stillzustehen und Svenja auf ihrem Stuhl zu gefrieren.
    Rupert setzte sich anders hin. Er schlug die Beine übereinander und breitete die Arme aus, als ob er einen Ball fangen wollte.
    »Reden wir Klartext. Sind Sie oder andere Jugendliche von Dr. Ollenhauer oder anderen Stiftungsmitgliedern sexuell missbraucht wurden?«
    Keine Reaktion. Immer noch schien das Bild wie gefroren. Rupert glaubte sogar zu spüren, dass es kälter wurde im Raum.
    Gleich würde es aus ihr herausbrechen. Sie würde Ollenhauer belasten und den Rest der Bande auch. Rupert freute sich schon darauf, die ehrenwerte Gesellschaft der Gutmenschen festzunehmen. Aber dann kam alles anders, als er vermutet hatte.
    Ansatzlos schoss sie aus ihrem ergonomisch perfekten Bürosessel hoch. Er rollte fast gegen die Wand, während sie über die Tischplatte pfeilschnell in

Weitere Kostenlose Bücher