Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
Wohnung, fand Ann Kathrin. Die Tischdekoration gefiel ihr. Weinrot mit ein bisschen Gold, Muscheln und Sternen, dafür hat Melanie einfach ein Händchen, dachte sie und fühlte sich wertgeschätzt durch diese kleine Geste.
Sie brauchte jetzt etwas Bodenständiges, etwas, das gute Erinnerungen an ihre Kindheit wachrief.
Mit ihrem Vater hatte sie einmal Rindsrouladen gemacht. Stunden hatten sie zusammen in der Küche verbracht, das Fleisch gerollt und mit Fäden gebunden. Sie glaubte, sich noch heute an den Duft erinnern zu können, und einmal, es war vielleicht ein halbes Jahr her, hatte sie hier Rouladen gegessen, die denen ihrer Kindheit sehr nahe kamen.
Damals hatte sie zu Melanie gesagt: »Bitte nimm dieses Gericht nie von der Speisekarte.«
Melanie hatte nur gelächelt.
Jetzt bestellte Ann Kathrin sich die Rindsrouladen, ohne auch nur in die Karte zu gucken.
Das beeindruckte nun wiederum Holger Bloem. »Na, die müssen aber gut sein, wenn du so entschieden bist.«
»Stimmt«, sagte Ann Kathrin.
Die beiden nahmen einen Aperol vorweg, und ob es nun zu den Rindsrouladen passte oder nicht, war ihr völlig egal, plötzlich wollte sie auch eine Krabbensuppe haben.
Holger Bloem überlegte kurz, entschied sich dann aber dagegen.
Sie waren allein in dem Raum, und Ann Kathrin kam sofort zur Sache: »Wir waren heute bei Ollenhauer in Wilhelmshaven und haben sein Haus durchsucht. Die Auswertung seiner Sachen, das alles wird ewig dauern. Allein die Fingerabdrücke in der Sauna und in seinem Hobbyraum …« Sie winkte ab. »Aber mich interessiert etwas anderes, Holger, du hast mal ein Porträt von ihm gemacht.«
Er lächelte und machte eine Handbewegung, als sei es ja wohl selbstverständlich, dass er als Redakteur des »Ostfriesland-Magazins« solche Leute bereits porträtiert hatte.
»Das ist jetzt nicht für die Akten, Holger, sondern nur unter uns. Schildere mir, wie du den Mann empfunden hast.«
Holger Bloem setzte sich anders hin. Er suchte nach einer korrekten Antwort, und das gefiel Ann Kathrin nicht.
Er begann: »Das ist ein Mann, der wirklich viel für Ostfriesland getan hat. Man könnte mit seinem Geld auch etwas anderes anfangen, als eine Stiftung zu gründen und sich um gestrauchelte Jugendliche zu kümmern.«
Sie unterbrach ihn. »Das meine ich nicht. Würdest du ihm, wenn du Kinder hättest, dein Kind anvertrauen?«
»Nun, er gilt als hervorragender Chirurg. Da ist nie etwas bekannt geworden. Keine Prozesse wegen Kunstfehlern oder so. Zumindest habe ich nichts davon mitgekriegt.«
»Das meine ich nicht«, wiederholte Ann Kathrin.
Melanie Weiß brachte zwei Gläser Aperol, und die beiden stießen miteinander an. Dann beugte Holger Bloem sich nach vorne über den Tisch in Ann Kathrins Richtung und sprach mit gedämpfter Stimme, obwohl die beiden alleine im Raum waren.
»Er kam mir etwas merkwürdig vor. Also, man kann das alles so oder so sehen, und ich will es wirklich nicht werten, aber wenn du mich fragst, dann erzähle ich es dir … Er hat einen ziemlich großen Garten, fast einen Park. Man hat ein bisschen das Gefühl, in Schloss Lütetsburg zu sein, wenn man dorthin geht.«
Sie lächelte. Sie wusste genau, was Holger meinte, und ab jetzt begann er, für sie ungeschminkt hart Klartext zu reden.
»Auf dem großen Gelände lagen zwei Mädchen und sonnten sich. Sie waren nackt und bewegten sich sehr ungezwungen. Ich dachte, es seien seine Kinder, vielleicht sogar seine Enkelkinder.«
»Ollenhauer hat keine Kinder.«
»Ja, ich weiß. Ollenhauer sprach auch darüber. Er hatte eine Sauna auf dem Gelände und war wohl ein begeisterter Saunagänger und FKK-Anhänger. Mehrfach sprach er von der Schönheit des menschlichen Körpers.
Während ich im Haus das Interview mit Dr. Ollenhauer führte, konnte ich sie immer wieder draußen herumlaufen sehen. Später kam noch ein drittes Mädchen dazu und ein Junge. Ich schätze, sie waren alle zwischen zwölf und, na, höchstens fünfzehn.«
Holger Bloem rührte seinen Aperol nicht weiter an, und als Melanie mit Ann Kathrins Krabbensuppe kam, bestellte er für sich ein alkoholfreies Weizenbier.
»Und für dich auch«, lachte Melanie und zeigte auf Ann Kathrin. Die gab ihr mit einem Wimpernschlag recht.
»Du glaubst also, dass Ollenhauer etwas mit der Moorleiche zu tun hat?«
»Wenn du mich das als Journalist fragst, Holger, muss ich antworten, nein, ich glaube das keineswegs. Wenn du mich das als Privatperson unter vier Augen fragst – oh ja,
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