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Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Er aß die Wurst, ohne ihr einen Hauch von Aufmerksamkeit zu schenken. Scheinbar studierte er total konzentriert die Auslage im Schaufenster der Buchhandlung. Aber war er wirklich ein Mann, der heimlich Frauenromane über Liebe auf einem Ponyhof in der Toskana las? Oder beobachtete er sie nur im Fensterglas?
    Im Laden arbeitete eine attraktive Buchhändlerin, die beim Sortieren der Regale ihren zweifellos schönen Po hochreckte. Vielleicht war sie der Grund für sein Verhalten. Jedenfalls tropfte der Senf nicht nur auf seine Schuhe, sondern auch auf sein Hemd.
    Ann Kathrin stieg in den Intercity. Der Wurstesser folgte ihr nicht.
    Eine Oma mit ihrem Enkelkind ließ sich neben Ann Kathrin nieder. Die gute Frau packte sofort Leberwurstbrote aus. Ihr Enkelkind, das für sein Alter gut acht bis zehn Kilo zu schwer war, schüttelte den Kopf. »Nein, Omi, jetzt nicht.«
    Der Junge las in einem Taschenbuch. Sie nahm es ihm wortlos ab und prüfte Umschlag und Text auf der Rückseite. Der Junge befürchtete wohl, das Buch könne vor ihren Augen kaum Gnade finden. Aber es kam durch die Zensur. Sie gab es ihm mit deutlichem Missfallen zurück. »Hast du das von deinem Vater?«
    »Der liest nicht.«
    Mit der Antwort gab sie sich zufrieden. Der Junge versank wieder in seinem Text, sie biss in das Leberwurstbrot.
    Vielleicht beobachtet er meine Schritte übers Internet, dachte Ann Kathrin. Wenn er auch die Gelsenkirchener Geschichten liest, kann er daraus folgern, dass ich … Aber der Schlüssel ist Frau Klocke. Sie wurde umgebracht, als nur eine Handvoll Leute wussten, dass ich einen Zusammenhang zwischen ihr und meinem Vater vermutete. Es waren alles Kollegen. Weller hat für mich Erkundigungen eingeholt. Direkt danach war sie tot.
    Ann Kathrin wurde aus ihren Gedanken gerissen. Weller rief
an. So kannte sie ihn nicht, seine Stimme hatte sich verändert. Er redete hektisch, als würde er keine Luft bekommen. Sie stellte sich vor, dass ihn jemand würgte, während er sprach.
    »Sie suchen dich, Ann! Bitte, stell dich. Man kann das alles klären … «
    Sie wusste augenblicklich, was geschehen war. Empört rief sie: »Ich habe Stenger nicht umgebracht! Was denkt ihr denn? Habe ich es nur noch mit Schwachsinnigen zu tun?«
    Die Dame stand auf und schob ihr Enkelkind aus dem Abteil. Der Junge protestierte: »Lass mich doch! Was ist denn? Immer wenn es spannend wird, muss ich raus!«
    Die Dame nickte Ann Kathrin zu, und schon war sie im nächsten Abteil.
    »Ann, ich habe nur eine Frage. Du weißt, ich liebe dich. Bitte, sag mir … «
    Sie ließ ihn nicht aussprechen. Sie hatte nur wenig Zeit, wenn sie versuchten, ihr Handy zu orten, dann war es vielleicht schon zu spät.
    »Denkst du auch, ich war es?«
    »Nein … natürlich nicht. Ich … «
    »Na bitte!«
    »Ann, was hast du jetzt vor?«
    »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich mich jetzt stelle, und während alle viel Zeit mit mir verbringen, kann der Mörder sich in aller Ruhe verkrümeln. Nein. Ich bleibe jetzt dran.«
    »Ann, wenn er Stenger umgebracht hat, damit er dir nichts sagen konnte, dann wirst du die nächste sein.«
    »Da könntest du recht haben, Frank. Und ich kann mich nicht stellen – ich fürchte, der Täter ist einer von uns.«
    »Ach, Ann, du verrennst dich! Wer denn? Rupert? Ubbo? Ich?«
    »Bitte, hilf ihnen nicht, mich zu finden, Frank. Ich melde mich.«
    Sie nahm die Batterie aus dem Handy. Dann überlegte sie es sich anders und legte die Batterie wieder ein. Sie war kurz vor Koblenz. Sie deponierte das Handy im Abfall auf der Toilette und stieg in Koblenz aus. Sollten sie das Handy ruhig orten.
    Dreißig Minuten später durchsuchte eine Sondereinheit in Bonn den Zug nach ihr. Vergeblich.
     
    Dr.Gaiser versuchte es mit Morsezeichen. Als Kind hatte er bei den Pfadfindern das Morsealphabet gelernt und natürlich wieder vergessen, aber drei lang, drei kurz, drei lang, drei kurz, immer in einem durch, das bedeutete SOS . Als Kinder übersetzten sie SOS beim Mittagessen im Zeltlager mit »Same old Soup«. Er erinnerte sich jetzt beim Klopfen daran. Es erhielt ihn lebendig. Wer abgeschnitten von neuen Eindrücken eine Weile überleben muss, braucht Erinnerungen, um nicht verrückt zu werden, dachte er. Seine Angst, diese Mauern irre zu verlassen, war größer als die, zu sterben.
    Er klopfte weiter. Lang. Kurz. Lang.
     
    Weller hielt die Situation nicht aus. Einerseits verhörte er diesen Henn vom Verein »Gotteskinder«, andererseits setzte Ubbo Heide ihn

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