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Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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beeindruckt mich nicht, Herr Kommissar. Jede dieser Frauen hier hatte, wenn ich das richtig verstanden habe, viel, viel mehr Lebenszeit auf dieser schönen Erde als die Kinder, die sie getötet haben.«
    Huberkran hielt es nicht länger aus. »Wir verhaften Sie wegen Mordverdachtes in mindestens vierunddreißig Fällen. Außerdem Entführung, Freiheitsberaubung und … «
    Henns Brust wölbte sich, als sei er stolz darauf. »Ich habe ein Alibi!«
    »Ihr Alibi ist nichts wert. Einen Dreck ist es wert! Jede kriminelle Vereinigung deckt sich gegenseitig«, schimpfte Weller.
    »Und jetzt möchten Sie bestimmt Ihren Anwalt, diesen Herrn Siebert, sprechen, oder?«
    »Gut geraten, Herr Kommissar.«
    »Vielleicht«, sagte Huberkran zu Weller, »sollten wir ihm vorher noch Gelegenheit geben, etwas von seiner Suppe zu essen. So etwas Gutes wird es lange nicht mehr für ihn geben.«
    »Wir sollten ihn zwingen, die Jauche zu essen. Vielleicht gesteht er dann … «
     
    Ann Kathrin beschloss, sich an einen Ort zurückzuziehen, wo sie niemand suchen würde: auf Spiekeroog, ins Haus von Heiko Käfer. Er hatte eine Menge Dreck am Stecken, und sie würde ihn damit konfrontieren.
    Sie fuhr mit der Bahn kreuz und quer. Erst nach Hannover, von dort nach Bremen.
    In Bremen kleidete sie sich in der Galeria Kaufhof neu ein. Sie wollte Touristin unter Touristen sein. Große Sonnenbrille, zwei bunte Hemden, Pumps und einen Sommerrock, der kurz über dem Knie endete. Sie nahm Sachen zum Wechseln mit. Hot
Pants. T-Shirts. Sie musste sich verwandeln können. Einen Koffer mit Rollen, einen Sommerhut. Sie kaufte noch Sandalen und in einer Boutique ein enges Kostüm, um auf Vamp zu machen, falls nötig. Bei Douglas bekam sie zwar kaum Luft, aber sie brauchte Kosmetik. Sie suchte sie fast etwas zu rasch aus, um sich nicht verdächtig zu machen.
    Von Bremen fuhr sie über Oldenburg, Sande und Esens nach Neuharlingersiel. Niemand würde sie unter all den Touristen, die zur Insel wollten, vermuten.
    Auf der Fähre schloss sie sich einem Frauenkegelclub aus Dortmund an. Die Keglerinnen waren mit Kümmerling, Kleiner Feigling und Küstennebel bewaffnet. Außerdem kreisten zwei warme Sektflaschen. Eine Sekretärin mit einem mächtigen Busen, als sei sie aus einem Russ-Meyer-Film entsprungen, nannte Ann Kathrin die ganze Zeit Hilde und erzählte ihr von ihrem Chef, den sie als dummes, geiles, korruptes, aber sehr erfolgreiches Schwein bezeichnete.
    Ann Kathrin spielte also die alte Freundin Hilde und fühlte sich bei dem angetrunkenen Kegelclub geborgen. Aber auf der Insel bemühte sie sich, die Damen loszuwerden. Die Sekretärin rief hinter ihr her: »Hilde! Hilde? Wo gehst du denn hin?« Dann sagte sie zu den anderen: »Mensch, Meier, ist die schikker.«
    Am Künstlerhaus beschleunigte Ann Kathrin ihren Gang. Zwei Elstern, die sich auf ihrer Diebestour von der Kommissarin gestört fühlten, flatterten hoch. Die Möwen sahen Ann Kathrin nur misstrauisch zu. Sie flohen nicht, griffen aber auch nicht an.
    Nachdem sie den Kegelclub abgehängt hatte, stand sie mit ihrem Koffer zwischen Zitterpappeln und Schwarzkiefern. Sie kam sich dämlich vor. Hierher schleppte niemand seinen Koffer. Der Sandboden machte ein Rollen unmöglich. Was zur Tarnung dienen sollte, machte sie jetzt auffällig, ja verdächtig. Über ihr kreiste ein Turmfalke, als käme selbst ihm ihr Verhalten komisch
vor. Sie schwankte zwischen dem Impuls, sich ein Zimmer zu mieten, falls überhaupt noch eines auf der Insel frei war, und dem Drang, jetzt sofort zu Käfer zu gehen, ohne Zeit zu verlieren. Vermutlich war er gar nicht da, sondern auf dem Festland.
    Sie beschloss, in sein Haus einzudringen und sich dort breit zu machen. Sie würde es durchsuchen und dort abwarten. Ja. Sie wollte ihre Operationsbasis in die Höhle des Löwen verlegen. Niemand würde sie hier suchen.
    Ein Hotel war viel zu riskant. Vielleicht würde morgen schon ihr Foto in der Zeitung stehen oder über die Flachbildschirme flimmern.
    Sie brauchte bei der zu erwartenden Medienhatz einen Verbündeten. Sollte sie Holger Bloem anrufen? Sein Telefon würde vermutlich nicht überwacht werden, das von Weller garantiert. Würde Holger ihr glauben? War das fair von ihr oder riss sie ihn dadurch nur in den Sumpf mit hinein?
    Sie fühlte sich stark und gut. Die Abendsonne streichelte ihre Haut und ein Sonnenuntergang, wie er beeindruckender nicht sein konnte, ließ sie einen Moment innehalten und zwischen all dem Alltagsdreck

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