Ostfriesensünde
auf Ann Kathrin gerichtet.
Er lachte laut: »Dann soll ich also davon ausgehen, dass die Dame in mein Haus eingedrungen ist, um mich zu berauben oder mir irgendwelches ›Beweismaterial‹ unterzuschieben? Was werden wohl Ihre Kollegen dazu sagen? Oder sind das nicht inzwischen schon Ihre Exkollegen? Wenn ich jetzt die Polizei rufe, liebe Ann Kathrin, dann wird nicht der Inselbulle auf dem Fahrrad anrücken. Dann kommt ein Sondereinsatzkommando per Hubschrauber und holt Sie mit Waffengewalt hier raus. Ich werde Interviews geben, und Sie Ihre Karriere im Knast beenden. Finden Sie nicht, es wäre für uns alle besser, wenn ich davon ausgehe, dass Sie gekommen sind, um mich zum Sex zu überreden? Mehr Spaß macht es auf jeden Fall … «
Er sah sie breit grinsend an. Die Ringe gelblicher Fettgeschwulste um seine Augen zuckten. »Und immerhin gibt es Zeugen
dafür, dass Sie mir schon einmal in Ihrer süßen Unterwäsche aufgelauert haben. Sie erinnern sich? Unser letztes Treffen. Sex mit mir ist besser als Knast und … «
»Sie brauchen für solche Heldentaten doch bestimmt Medikamente? Ich fürchte, Viagra ist für Ihre Leber und Ihr Herz reines Gift.«
Die Rechte mit den braunen Hautflecken auf dem Handrücken spielte jetzt mit der Waffe. Er hielt den Revolver wie eine Penisverlängerung.
Da war ein Geräusch. Es war noch jemand im Haus. Ann Kathrin spürte eine gewisse Erleichterung. Seine thailändische Frau mit den glatten langen Haaren und den Mandelaugen zeigte sich im Flur.
»Ailin freut sich immer über ein neues Spielzeug für mich. Nicht wahr, Ailin, du freust dich doch?!«, rief er, ohne sich nach ihr umzusehen. Er trommelte mit den Fingern der linken Hand einen Rhythmus auf seine breiten Boss-Hosengürtel.
»Ja«, rief Ailin, »ich immer viel freut.«
Ann Kathrin setzte sich aufrecht hin. Die Anwesenheit der anderen Frau gab ihr Kraft. Sie brüllte Käfer an: »Ich bin nicht Ihr Spielzeug!«
»In Ihrer Situation, Frau Klaasen, sollten Sie froh sein, wenn ich nur mit Ihnen spielen will. Im Grunde macht es keinen Spaß mit euch Karrierefrauen. Dumm fickt gut, sagt man, und da ist auch was dran. Ihr steht euch doch selbst nur im Weg mit euren Bedenken und moralischen Vorstellungen.«
»Ja, danke, ich kenne den Vortrag, Herr Stenger hat ihn mir schon gehalten«, konterte sie.
»Und dann haben Sie ihn umgebracht. Ich weiß. Das wird hier anders laufen. Gleich werden Sie in der Liebesschaukel um Gnade winseln. So, und jetzt ziehen Sie diese lächerlichen Klamotten aus. In nasser Unterwäsche haben Sie mir besser gefallen.«
Er schnalzte mit der Zunge, was für Ailin wohl ein bekanntes Signal war. Sie brachte ihm ein Glas Eiswasser. Sie konnte unmöglich, so wie sie jetzt da stand, mit ihm zum Essen ausgegangen sein. Sie musste sich jetzt gerade umgezogen haben. Sie trug glänzende Lacklederstiefel bis zu den Knien und eine trägerlose Lackcorsage mit Satinbandschnürung.
Ann Kathrins Herz raste. Sie musste etwas tun. Sie stand auf und machte zwei Schritte. Der Lauf seiner Smith & Wesson folgte ihr, dessen ungeachtet verfiel sie in ihren in der Polizeiinspektion Aurich eingeübten Verhörgang. Drei Schritte, eine Kehrtwendung, drei Schritte. Bei jedem zweiten Schritt ein Blick auf den Verdächtigen.
Der Verhörgang gab ihr neue Sicherheit. Sie konnte wieder durchatmen, sie wurde wieder zur Kommissarin und sie begann die Befragung, ungeachtet der Situation, in der sie sich befand. Sie redete und lief sich Schritt für Schritt, Wort für Wort, Boden unter die Füße ihrer brüchig gewordenen Existenz.
»Die Beschuldigten in Menschenhandelsprozessen sind, anders als die Menschen allgemein glauben, überwiegend deutscher Staatsangehörigkeit. Dann folgen nicht etwa die Türken, sondern besonders viele Tatverdächtige kommen aus Litauen, Rumänien und Italien. Das Alter der Beschuldigten beträgt im Durchschnitt dreiunddreißig Jahre, da dürften Sie zu den Opas gehören. Fünfundachtzig Prozent der Täter sind männlich. Da bewegen Sie sich wieder in der Masse. Gut die Hälfte der Beschuldigten war zur Tatzeit verheiratet. Zwanzig Prozent wiesen einen Hauptschulabschluss auf, einundzwanzig schafften die Realschule, sieben Prozent das Abitur und fast elf Prozent hatten ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorzuweisen, so wie Sie. Der Rest hatte eine Berufsausbildung, die meisten sogar mit Abschluss. Sie gehören also zur geistigen Elite in Ihrem Fach, Herr Käfer. Respekt.«
Er klatschte, ohne die Waffe
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