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Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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deshalb glaubt er, dass er alles tun kann. Eine eigene Moral, die ihm den Handlungsspielraum zeigte, hatte er nicht. Sinnloserweise bog Ann Kathrin sich in der Schaukel und sah dabei ihre Verrenkungen zigfach im Spiegel.
    Heiko Käfer blieb lange weg. Sehr lange.
     
    Er beobachtete Heiko Käfer durch sein Zielfernrohr. Er ging mit Ailin am Wasser spazieren. Die Khakihose bis zu den Knien
aufgekrempelt, genoss Käfer die sanften Wellen. Es tat seinem Kreislauf gut. Er hasste Sport, aber er liebte Spaziergänge am Meer.
    Er atmete tief durch und amüsierte sich über Ann Kathrin Klaasen, die ach so korrekte Kommissarin, hinter der inzwischen die Polizei her war. Er konnte sie nicht gehen lassen, sie würde – selbst aus dem Gefängnis heraus – alles tun, um seinem Ruf zu schaden. Die Geschichte mit den stummen Frauen durfte niemals an die Öffentlichkeit kommen. Alles andere war verzeihbar, verjährt, Auslegungssache, aber das Ding war zu hart. Er fürchtete eine aufgebrachte Öffentlichkeit.
    Er hatte den Boss über Ann Kathrin Klaasen informiert.
    »Amüsier dich ein bisschen mit ihr und halte sie fest, bis ich komme. Ich kümmere mich selber darum.«
    Das hieß, er würde sie entsorgen. Für so etwas brauchte man Profis. Der Boss erledigte das gern selbst.
    Käfer ahnte nicht, dass sein Boss ihm näher war, als er dachte. Er beobachtete ihn bereits. Er hatte seine Pläne geändert. Zunächst hatte er sich vorgestellt, Ann Kathrin Klaasen und Heiko Käfer mit zwei verschiedenen Handfeuerwaffen in dem Haus zwischen den Dünen zu erledigen. Es würde dann so aussehen, als hätten sie sich gegenseitig umgebracht. Aber Ann Kathrin Klaasens Besuch bei Stenger kurz vor dessen Ableben änderte alles. Die Kripo ging jetzt davon aus, dass sie auf einem Rachefeldzug war. Da würde man ihr den Mord an Käfer sofort zuschreiben.
    Er konnte sie aus kurzer Distanz töten und dann selbst die Polizei rufen. Es war eine glaubhafte Geschichte. Sie hatte auch ihn gesucht und gefunden. In ihrem Rachewahn warf sie ihm Sünden vor, die er nie begangen hatte, aber er war schneller.
    Hier in den Dünen sah ihn niemand. Käfers Kopf erschien im Fadenkreuz. Er lachte und warf eine Muschel ins Wasser.
    Der Sandstrand war lang und einsam. Vor zwanzig Jahren
hatte er einmal einen Kriminalroman gelesen, der hieß: »Bei Westwind hört man keinen Schuss.« Jetzt kam der Wind von Nordost.
    Er lächelte und drückte ab.
    Ailin beugte sich in der ersten Schrecksekunde über Käfer. Sie verstand nicht. Sie hatte keinen Schuss gehört, keinen Schützen gesehen. Dann hatte sie Blut an den Händen. Sein Blut. Das, wovon sie so oft geträumt hatte, war geschehen. Jemand hatte ihn getötet.
    Sie glaubte an Karma und Wiedergeburt und schämte sich für ihr früheres Leben, in dem sie kein guter Mensch gewesen war, wie Käfer spöttisch behauptet hatte, denn sonst wäre sie in diesem Leben nicht an ihn geraten. Bei ihm büßte sie ihr schlechtes Karma ab.
    Das war nun vorbei. In seinem nächsten Leben würde auf ihn auch nicht gerade ein Lottogewinn warten. Sie hatte sich oft vorgestellt, er würde als Qualle wiedergeboren werden, das hatte ihr Mut gemacht und Kraft gegeben, durchzuhalten.
    Jetzt war sie frei, endlich frei. Als seine Ehefrau würde sie ihn beerben. Er war ein reicher, ein sehr reicher Mann, mit Konten in Liechtenstein. Aktien. Häusern. Und Goldmünzen in einem Tresor in Aurich. Sie würde ihre Familie beschenken, ihre Mutter operieren lassen. Sie stellte sich vor, in ihre Heimat zurückzukehren wie die alte Dame in dem Dürrenmatt-Stück, das sie in Zürich im Theater gesehen hatte.
    Dann begriff sie, dass die nächste Kugel sie treffen konnte, und rannte los. Das Meer! Im Meer wäre sie sicher und unsichtbar. Sie konnte nicht schwimmen, doch sie rannte ins Meer.
    Nordsee ist Mordsee, dachte er grinsend und nahm sie ins Visier.
    Ja, lauf Mädchen, lauf. Bewegliche Ziele machten mehr Spaß.
     
    Endlich. Dr.Gaiser hörte wieder Geräusche. Er drückte sein Gesicht gegen die Mauer und weinte vor Glück. Er hatte gewusst, dass Ansgar wiederkommen würde. Er hatte es gewusst.
    »Ansgar? Ansgar? Bist du da? Ich … ich kann nicht mehr, Ansgar. Ich halte das nicht mehr lange durch. Ich brauche Medikamente. Ich bin ein kranker Mann, Ansgar. Hast du deinen Eltern gesagt, dass ich hier bin? Ansgar, antworte mir! Ansgar?! Nein, du hast es ihnen nicht gesagt, sonst wären sie ja längst mit einem Hammer da, um mich zu befreien. Du bist ein böser

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