Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
Köpfe kleiner als er, fünfundzwanzig Jahre jünger und mindestens fünfzig Kilo leichter. Im Gegensatz zu ihm war sie ausgesprochen schön und grazil. Sie hatte schulterlange, glatte schwarze Haare, mandelbraune Augen und trug einen hautengen Jogginganzug mit schwarzer, knielanger Hose und pinkfarbenem Top. Sie kam aber nicht vom Joggen. Sie trug Flipflops.
    Aus Ann Kathrins Perspektive, sitzend von unten, sah es aus, als würde der Hubschrauber auf ihrem Kopf landen. Ann Kathrin wusste sofort, wer da drinsaß. So kam Huberkran tideunabhängig nach Spiekeroog. Wollte er ihr zeigen, dass er so
wichtig war, dass er einen Hubschrauber bekam? Oder dass sie für ihn solch große Bedeutung hatte? Die Situation nötigte ihr Respekt ab.
    Dann war sie da, die freundliche Helferin aus dem Ruhrgebiet. Ann Kathrin trocknete sich ab. Käfer machte nicht die geringsten Anstalten, weiterzugehen. Ihm gefiel es, Ann Kathrin zuzuschauen.
    »Ja, tschüs dann«, sagte Ann Kathrin und machte mit der rechten Hand eine verscheuchende Bewegung.
    Käfer rieb sich die Fettgeschwulst unter seinem rechten Auge. Die gelbliche Verfärbung im Weiß seiner Augen gab seinem Blick etwas Alienhaftes.
    »Das ist ein öffentlicher Weg, Frau Klaasen«, stellte er juristisch exakt fest. »Die Gäste auf dieser schönen Insel bezahlen dafür Kurtaxe. Ich selbst habe ein Haus in den Dünen.« Er zeigte hinter sich. »Und habe genauso das Recht, diesen Weg zu betreten, wie jeder andere. Wenn Sie sich hier zur Schau stellen, haben Sie keinerlei Anspruch darauf, dass die Straße gesperrt wird. Wir befinden uns in einem Rechtsstaat.«
    Petra Muus ergriff gleich Ann Kathrins Partei: »Nun halten Sie mal die Bälle flach! Es gefällt keiner Frau, wenn sie so angeglotzt wird!«
    Der Asiatin an Käfers Seite war das Ganze unangenehm. Sie nahm seinen Arm und versuchte, ihn weiterzuziehen, doch er schüttelte sie unwirsch ab und warf ihr einen zornigen Blick zu. Dann sprach er mit erhobenem Zeigefinger weiter: »Wenn es Frau Klaasen unangenehm ist, sollte sie ihre Dessousshow vielleicht abbrechen und sich auf die Toiletten zurückziehen, die befinden sich nämlich direkt neben ihr. Dorthin wird ihr niemand folgen. Aber in Wirklichkeit liebt sie doch die Show, nicht wahr, und nichts wäre schlimmer für sie, als keine Beachtung zu finden.«
    Der Hubschrauber landete in der Nähe des Hafens.
    »Wenn alle Männer so wären«, sagte Frau Muus zu Ann Kathrin, »würde ich lesbisch!«
    Heiko Käfer legte einen Arm um seine Frau und zog gemeinsam mit ihr ab. Er wusste, dass Ann Kathrin und Frau Muus hinter ihm herschauen würden. Nur um sie zu ärgern, ließ er seine Hand langsam von der Schulter seiner Frau herunterrutschen auf ihren Po.
    »Die Schöne und das Biest«, lachte Petra Muus.
    Ann Kathrin mochte diesen Ruhrgebietshumor. Sie spürte, dass sie selbst von dort kam.
    »Meine Sachen passen Ihnen bestimmt nicht, aber ich habe Ihnen mal einen Bademantel mitgebracht. Den kann ich Ihnen gerne ausleihen … Wir wohnen im Haus Seestern. Es reicht mir, wenn Sie mir die Sachen morgen zurückbringen.«
    Ann Kathrin bedankte sich. Fast hätte sie Frau Muus umarmt. Dann ging sie, ihre nasse Kleidung im Wind schwenkend, in Richtung Hafen zum Hubschrauberlandeplatz.
    Es tat ihr gut, barfuß zu laufen, die Wege zwischen den Dünen waren sauber. Sie musste nicht befürchten, in Glasscherben zu treten. Man kassierte auf Spiekeroog nicht nur die Kurtaxe, man tat auch einiges dafür.
    Sie versuchte, wieder mit ihm zu reden. Immerhin, das zeugte von Lebenswillen. Sie hatte sich also noch nicht aufgegeben.
    Sie verriet ihm all ihre Geheimnummern und Pin-Codes, obwohl er sie nicht darum gebeten hatte.
    Angeblich besaß sie noch ein Sparbuch. Es war versteckt in ihrer Wohnung in Bremen. Sie wollte ihn hinführen und ihm das Sparbuch zeigen. Es gehörte alles ihm. Er konnte alles von ihr bekommen, alles. Nur für ein bisschen Licht … Einen Schluck Wasser … Die Freiheit … Oder wenigstens eine Erklärung.
    »Warum bin ich hier?«, jammerte sie. »Warum ich? Was habe ich Ihnen getan?«
    Sie begann, ihn zu langweilen. Er setzte sich den Kopfhörer auf und stellte seinen MP 3 -Player auf volle Lautstärke. Greatful Dead.
    Sie kamen alle nicht darauf, warum sie wirklich in der Dunkelheit saßen. Ihnen fielen nur ihre oberflächlichen, kleinen Sünden ein. Nicht die große, grundsätzliche, die sie bereuen sollten. Er konnte ihre Seelen nicht retten, wenn sie nicht bereuten. Es war seine

Weitere Kostenlose Bücher