Ostfriesensünde
mit Ihrer Logik und Mathematik, bleibt das, was Sie heute hier gesehen haben, unser Geheimnis.«
Eike wollte zurück ins Haus.
Weller hielt ihn fest. »Moment.«
Eike machte sich los. »Rufen Sie mich an, wenn Sie wissen, wo der Euro ist.«
Als die Tür hinter Eike ins Schloss fiel, fühlte Weller sich angeschlagen, fast besiegt.
Er stieg ins Auto, fuhr bis zur Ecke, hielt an, kramte im Handschuhfach und riss einen Zettel aus seinem Notizblock. Dann schrieb er auf:
30 – 5 = 25
9 × 3 = 27
30 – 27 = 3
2 in der Tasche
Er zerknüllte den Zettel. In dem Moment kam eine SMS auf seinem Handy an. Sie war von Eike:
Nur Mut. Sie sind doch Kommissar.
Sie kriegen das raus.
Ansgar musste immer wieder zu dem Rattenloch hinsehen. Ob dort wirklich ein Geist auf ihn wartete? Was würde passieren, wenn er den Geist freiließ?
Immer wieder stellte er sich vor, dass er drei Wünsche frei hätte. Nein, er wollte doch keine Ritterburg wie Gerrit. Auch der Zweitwagen für Mama war nicht mehr so wichtig. Er wollte lieber eine Angel, ein Pony und eine neue CD mit Piratenliedern.
Aber hinterher musste man den Geist wieder in die Flasche kriegen. Vielleicht war es ja ein böser Geist. Er saß nicht in einer Flasche, sondern in einer Wand.
Am liebsten wäre Ansgar hingelaufen. Aber er wollte Mama nicht wieder wütend machen. Sie hatte versprochen, mit ihm ins Waloseum in Norddeich zu fahren. Dort gab es ein riesiges Skelett von einem Wal, der mal vor Norddeich gestrandet war. Er hatte noch nie so ein Walskelett gesehen.
Er wollte Mama jetzt nicht enttäuschen. Die neigte dazu, dann solche schönen Sachen zu streichen. Nie hätte sie ihn gehauen, so wie Gerrits Mutter es manchmal tat, wenn sie nervös wurde. Seine Mama wurde nicht mal richtig wütend, sondern eher sehr, sehr traurig, und dann hatte sie keine Lust mehr, mit ihm schöne Sachen zu unternehmen. Dann strich sie Eisdiele, Pizza oder Schwimmbad einfach von ihrer Liste.
Er wollte ein guter Junge sein. Er wollte ins Waloseum und in die Seehundstation nach Norddeich, um die jungen Heuler zu sehen.
Ann Kathrin schlug gegen die raue Wand. Es war so dunkel, dass sie nicht einmal sehen konnte, ob ihre Hände bluteten oder nicht. Sie leckte mit der Zunge über die gerissene Haut, schmeckte aber kein Blut. Nur feuchte, sandige Zementkörner.
»Lass mich raus, Peter! Peter, wo bist du? Warum antwortest du nicht?! Peter, das ist nicht lustig!«
Ihr Herz raste bis zum Hals.
Sie bekam Atemnot. Das eigene Hecheln machte ihr Angst. Die Furcht, sie könnte gleich hyperventilieren, trocknete ihren Mund aus. Die Zunge kam ihr plötzlich aufgequollen und schwer vor.
In ihren Ohren dröhnte es. Mitten in der Stille saß sie in ohrenbetäubendem Lärm.
Ihr Blutdruck stieg auf 150 zu 90 . Ihr Puls raste.
Peter Grendel stand mit dem Mann, der sich Schorsch nannte, vor dem Rohbau. Er hatte ihn nach draußen begleitet und war misstrauisch genug, um sich nach dem Wagen des Mannes umzusehen. Er wollte sich die Autonummer aufschreiben.
Aber Schorsch schlenderte nun wie ein Flaneur, der ziellos die Gegend erkundet, den Wind im Rücken, an den Vorgärten vorbei in Richtung Neubaugebiet. Er blieb vor gelben und lachsfarbenen
Rosen stehen, roch daran, pflückte aber keine ab. Er verhielt sich absolut korrekt, wie jemand, der etwas zu verbergen hatte und ganz genau wusste, dass er beobachtet wurde.
Erst als der Mann sich seinem Sichtfeld entzogen hatte, lief Peter Grendel zu seinem Schützling hinter der Mauer zurück.
Ann Kathrins Klopfen ließ die Wand vibrieren.
»Ich bin da, Ann Kathrin«, sagte Peter Grendel. »Ich bin da. Alles ist gut, Ann Kathrin.«
»Wo warst du, verdammt? Warum sprichst du nicht mit mir?«
»Wir hatten Besuch. Einen Typen, den ich nicht kannte. Schorsch. Ein Schwager vom Bauherrn. Ich habe ihn freundlich, aber bestimmt nach draußen begleitet. Ich dachte, es ist besser, wenn er nicht mitkriegt, was wir hier veranstalten.«
Ann Kathrins Blutdruck sank. Ihr Puls beruhigte sich, und sie begriff, der Täter konnte seine Opfer selbst in dieser Situation noch bestrafen oder belohnen. Die Angst stieg mit dem Gefühl der Einsamkeit. Sprache als einziger Kontakt.
Sie stellte sich vor, wie sie bettelten und flehten, nur damit er mit ihnen sprach. Es machte einen gewaltigen Unterschied, ob hinter der Mauer noch jemand war oder nicht. Die Anwesenheit einer Person, und sei es der Täter, nährte die Hoffnung auf ein Entkommen. Er konnte es sich anders
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