Ostfriesensünde
sich. Sie trug nur ihre Unterwäsche.
Das Mädchen stand auf. In ihrem Gesicht hatte der Reißverschluss ihrer zusammengeknubbelten Jacke, auf der sie in Ermangelung eines Kissens geschlafen hatte, ein Muster hinterlassen, das Weller an die Mensur seines alten Lateinlehrers erinnerte.
Auf dem Slip der müden Schönheit stand »Donnerstag«.
Weller zeigte darauf und sagte: »Heute ist Montag.«
»Häh?«
Weller deutete mit der Hand auf ihren Slip. Sie kapierte aber nicht sofort, was er meinte. Als sie es begriff, verdrehte sie die Augen, als sei er der letzte Idiot.
»Ist unter den … Gestalten hier irgendeiner Eike Klaasen?«
Sie zuckte mit den Schultern und ging an Weller vorbei ins Bad.
Dann entdeckte Weller Eike. Der Junge sah blass aus, mit schwarzen Rändern unter den Augen und gesprungenen Lippen.
Weller war froh, dass er anstelle von Ann Kathrin hierhergekommen war.
»Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass weder dein Vater noch seine Lebensgefährtin zu Hause sind.«
»Was glotzen Sie so? Wir haben hier eine LAN -Party gefeiert.«
»Eine LAN -Party? Und die hat vermutlich schon am Donnerstag begonnen.«
Verblüfft sah Eike Weller an. »Woher wissen Sie das?«
Weller winkte ab. »Ach, ich dachte mir das. Immerhin bin ich Kommissar und kann kombinieren.«
Die Rothaarige kam aus dem Bad. »Wer ist der Typ?«, fragte sie Eike, ohne Weller anzusehen.
»Verkriech dich in deine Schlaftüte und lass mich das hier regeln«, sagte Eike unwirsch.
»Ich habe keine Schlaftüte, du Arsch. Ich hab nicht mal ’ne Decke abgekriegt.«
»Pech«, erwiderte Eike.
Die Kids pflegen ja einen harten Umgang miteinander, dachte Weller und versuchte, sich nicht vorzustellen, was seine Töchter in seiner Abwesenheit so trieben.
Irgendwie hatte Weller das Gefühl, hier nicht ernst genommen, sondern ignoriert zu werden. Er zog sein Handy und begann zu fotografieren. Das Lager der verschlafenen Computerfreunde, die Bierdosenpyramide. Nur die Rothaarige knipste er nicht.
Von den Blitzen wurden immer mehr Jugendliche wach. Der, der in der Nähe des Flachbildschirms aus dem Bundeswehrschlafsack krabbelte, sah aus wie fünfundzwanzig oder älter.
»Hören Sie auf! Was machen Sie? Was soll der Scheiß?«, schimpfte Eike.
»Ich mach nur ein paar Bilder. Die schicke ich deiner Mutter gleich, damit sie eine Erklärung hat.«
»Erklärung? Wofür?«
»Na, für dein Schuleschwänzen und deine Glanzleistungen in Mathe.«
Der älteste Mitspieler stieß Eike an und drohte: »Sag dem Gammelfleisch, wenn er mich knipst, hau ich ihm die Fresse dick.«
»Ja, nur zu, darauf freue ich mich schon den ganzen Tag«, lachte Weller und fotografierte den jungen Mann, wie er über Schlafende zur Toilette stolperte. Der drehte sich um und zeigte Weller den Stinkefinger.
»Mann, jetzt machen Sie doch nicht so einen Wind. Halten Sie die Bälle flach! Hero und Susanne sind auf Lanza. Wenn sie wiederkommen, ist hier alles tipptopp.«
»Lanza? Wo ist das denn?«
Die Rothaarige mischte sich ein. Sie kniete vor dem Sofa und suchte darunter einen USB -Stick.
»Lanzarote! Wie alt ist der denn? Malle – Mallorca. Lanza – Lanzarote … «
Bevor sie ihre Aufzählung fortsetzen konnte, bedankte Weller sich für die Belehrung. Er war sich sicher, dass sein ironischer Unterton dabei nicht verstanden werden würde.
Er hatte genug gesehen und wollte gehen. Aber jetzt folgte Eike ihm. Plötzlich wurde er freundlich, ja, fast ein bisschen unterwürfig. Erst draußen vor der Tür sprach Eike Klartext.
»Sie werden das hier doch nicht an die große Glocke hängen, oder?«
Weller verzog den Mund. »Was soll das heißen: große Glocke? Keine Angst, ich werde nicht die Bildzeitung anrufen, aber ich denke, deine Mutter wird sich für das, was hier los ist, interessieren.«
»Was ist denn hier los? Tun Sie doch nicht so empört. Das ist eine LAN -Party. Wir spielen ein Computerspiel. Ein Mannschaftsspiel, wir vernetzen uns und … «
Weller unterbrach Eike. »Egoshooterspiele, und ich gehe doch recht in der Annahme, dass die indiziert sind?
Eike stöhnte. »Haben Sie deshalb fotografiert?«
Weller antwortete nicht.
Eike schlug einen rechten Haken in die Luft. »O Mann, ich kenn das alles. Sie sind wie meine Mutter. Ihr seid doch alle gleich!«
»Wieso siezt du mich eigentlich immer noch? Ist das deine Art, mir zu zeigen, dass du mich nicht leiden kannst?«
Eike walkte sich das Gesicht durch, wie Weller es von seinem
Chef Ubbo Heide kannte, wenn
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