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Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Kathrin schnüffelte wie ein Kaninchen. »Wonach riechst du, Frank?«
    Es war ihm fast peinlich. Es kam ihm angesichts der Dinge so banal vor. Er winkte ab, als sei das völlig nebensächlich: »Ich habe uns Muscheln gekocht.«
    »Und das sagst du erst jetzt? Ich habe einen Mordshunger!«
    Ann Kathrin war mit zwei großen Schritten bei der Tür. Weller folgte ihr. Sie blieb kurz an der Treppe stehen und atmete tief ein. »Hm!«
    Unten in der Küche saß Huberkran vor einer fast gesäuberten Servierplatte. Er rülpste genüsslich und trank den letzten Schluck aus seinem Weizenbierglas.
    »Entschuldigt, ich habe schon angefangen. Ich konnte einfach nicht widerstehen. Diese Muschelbrote mit der Soße sind einfach ein Gedicht.«
    Es lagen noch zwei auf der Platte. Acht hatte Huberkran gegessen. Aber die zwei waren sowieso kalt. Weller und Ann Kathrin nahmen sie als Appetithappen.
    Dann goss Weller den Elsässer Sylvaner ein und fühlte am Topf. Die Muschelsuppe war auf dem Herd noch nicht abgekühlt. Weller häufte die offenen Muscheln auf seinen und Ann Kathrins Teller. Sie sahen aus, als würden sie nach Luft schnappen. Einige waren von innen rot, andere weiß.
    Weller ließ jetzt den Sud darüberlaufen, dann brach er das zweite Baguette in zwei Teile. Huberkran registrierte, dass Weller ihm nichts serviert hatte.
    »Ja, und ich?«, fragte er.
    Weller lachte. »Ach, ich dachte, du seist schon satt.«
    Leicht beleidigt antwortete Huberkran: »Nein, bin ich nicht.«
    »Ja, dann nimm dir ruhig selbst, so viel du willst. Also, zum Weizenbier passen die Muscheln ja eigentlich nicht, aber … «
    Ann Kathrin lutschte eine Muschel aus und benutzte die Schale als Besteck, um das Fleisch aus der nächsten zu zupfen. Sie schloss bei jedem Bissen kurz die Augen.
    Also, Weller kochte auf jeden Fall besser als ihr Ex Hero. Besser war gar kein Ausdruck. Das hier war eine ganz andere Liga.
    Sie wollte es Weller sagen, aber da kam ihr Huberkran zuvor: »Meine Frau ist ja Ärztin. Die sagt, bei Muscheln muss man vorsichtig sein. Man kann eine Eiweißvergiftung kriegen und Hepatitis und … «
    Weller warf Huberkran einen vernichtenden Blick zu.
    »Ja, wir wünschen dir auch einen guten Appetit.«
    Huberkran ging mit seinem Teller zum Herd. Wie um sich zu entschuldigen, lud er sich mehr Miesmuscheln auf den Teller, als er balancieren konnte. Zwei fielen zu Boden und hopsten auf den italienischen Fliesen unter den Tisch. Als Huberkran sich nach ihnen bückte, kippte ihm der Rest vom Teller.
    Weller versuchte, das zu ignorieren, und gab Ann Kathrin ein Handzeichen, es ihm gleichzutun, aber sie hatte Mühe, in Ruhe
zu essen, während unter dem Tisch jemand herumkroch und ächzend und stöhnend Muscheln einsammelte.
    Da klingelte Wellers Festnetztelefon. Das Gerät lag auf der Arbeitsplatte nah beim Ofen in der Schale für die Zwiebeln.
    Weller stand auf und ging ran, damit es endlich aufhörte zu klingeln. Er meldete sich bärbeißig: »Ja.«
    »Sie sind also auch so ein Ja-Sager. Sie haben sich leider falsch gemeldet.«
    »Häh, was?«
    »Hier ist Der Schollmayer von Hit Radio Antenne. Sie wissen doch, wie man sich richtig melden muss, Sie hätten fünfzigtausend Euro gewinnen können … «
    »Rupert, du Arsch, ich habe heute Abend keinen Bock, mir deinen Scheiß anzuhören!«
    Ein heißer Schauer durchrieselte Weller. Er traute Rupert im Grunde nicht zu, seine Stimme so sehr zu verstellen.
    »Rupert? Wer ist Rupert? Ich kenne keinen Rupert. Ich bin Der Schollmayer von Hit Radio Antenne. Und das ist kein Scherz.«
    Weller unterbrach die Verbindung und setzte sich breitbeinig hin. Huberkran tauchte auf und fragte: »Meinst du, die kann man noch essen?«
    »Stell dich nicht so an, die Muscheln sind doch in der Schale.«
    Huberkran saß jetzt reglos vor seinem Teller und starrte auf den Muschelberg. Ann Kathrin zog ihm stumm den Teller weg, ließ den Inhalt in den Abfall rieseln und füllte einen neuen Teller für Huberkran. Sie goss vorsichtig den Sud darüber, da fragte Weller nachdenklich: »Kann mir einer sagen, was das eigentlich ist, Geld?«
    Huberkran guckte, als hätte ihm jemand Eiswasser ins Hemd gegossen.
    Ann Kathrin erklärte über Wellers Kopf: »Er befasst sich
neuerdings mit philosophischen Fragestellungen. Sein oder Haben?«
    Huberkran guckte nur.
    Weller aß Muscheln und sprach mit vollem Mund: »Du ackerst die ganze Zeit für knapp Tausend im Monat – mehr bleibt mir nämlich nicht, nach Abzug von Unterhalt und Steuern

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