Ostfriesensünde
Fliegenklatsche erschlagen.
Harry Stämmler war ein unangenehmer, klebriger Typ, aber Ann Kathrin konnte ihn schlecht vorher in Geschenkpapier einwickeln lassen. Und wenn ich ihn aus der Jauchegrube ziehen müsste, es ist alles völlig gleichgültig. Hauptsache, ich komme weiter, dachte sie.
Ich krieg dich, du Schwein. Ich kann deine Nähe schon spüren. Glaub nicht, dass du ungeschoren davonkommst. Du hast meinen Vater getötet. Ich krieg dich!
Sie fühlte sich frisch und ausgeruht, ja, durchtrieben. Sie hatte nie in ihrem Leben Koks genommen, aber so stellte sie sich die Wirkung vor. Es kribbelte auf der Haut. Sie spürte ihre Haarspitzen, es war, als würden sie in der Kopfhaut glühen und Signale ins Gehirn senden. Glücksbotschaften.
Dann saß sie Harry Stämmler bei Pabst gegenüber und sah ihm zu, wie er Apfelkuchen mit Sahne aß. Er schlürfte dabei Milchkaffee, in den er drei Stücke Würfelzucker versenkt hatte.
Er wollte wissen, ob eine Belohnung für ihn drin sei. Ann Kathrin fischte aus ihrer Esprit-Handtasche drei grüne Hunderter. Vor seinen ungläubigen Augen riss sie die Scheine in der Mitte durch. Dann legte sie von jedem Schein eine Hälfte vor Harry Stämmler auf den Tisch. Sie berührten seinen Teller.
Harrys Unterlippe hing schlaff herab.
»Erzählen Sie mir alles, was Sie über Volki wissen. Dann bekommen Sie den Rest dieser Scheine auch.«
Sie spielte mit den grünen Fetzen.
Harry Stämmler kapierte langsam, aber er kapierte. »Ich mochte ihn nicht. Er war so ein Nuttenfiffi.«
Harry Stämmler baggerte sich ein großes Stück Apfelkuchen in den Mund. Eine Sahneflocke fiel hinunter und klatschte auf einen grünen Schein.
»Was darf ich mir unter einem Nuttenfiffi vorstellen?«
Er grinste breit und nahm eine Sitzhaltung ein, die Überlegenheit demonstrieren sollte, die aber nur angeberisch wirkte.
»Ein Zuhälter. Er hing immer mit Stein ab und diesem Holländer.«
Ann Kathrin konnte kaum noch ruhig auf ihrem Stuhl sitzen. Nervös schlug sie die Beine übereinander.
»Holländer. Meinen Sie Beukelzoon?«
»Ja, so hieß der Arsch. Mein Bruder hat ihn immer den Holländer genannt und manchmal auch … den Matjes, aber nur, wenn er nicht dabei war. Mit dem Holländer war nicht gut Kirschen essen.«
»Ihr Bruder war also mit Stein, Beukelzoon und Bogdanski zusammen?«
»Ja, die haben praktisch ihren eigenen Puff gehabt. Sie nannten das Ehevermittlungsinstitut. Ich habe auch manchmal eine abgekriegt. Ja, gucken Sie nicht so. Heiraten wollte ich nicht. Ich hatte auch gar keine Kohle. Die Mädels waren nicht billig. Fünftausend, einige haben acht- oder zehntausend gekostet. Aber wenn die Typen mit den Frauen nicht klarkamen, dann wurde »Bäumchen wechsel dich« gespielt. Dabei ging die Übergabe an den nächsten terminlich oft nicht so glatt. Dann mussten die Frauen ja irgendwo bleiben, und dann habe ich manchmal eine genommen für ein paar Tage.«
»Und Sie haben auf die Frau aufgepasst, ja?«
Er nickte.
»Damit sie nicht weglief«, setzte Ann Kathrin nach und ärgerte sich über ihre Reaktion, denn Harry Stämmler zuckte zurück. Sie hatte Sorge, ihr Singvögelchen könnte verstummen.
Harry Stämmler wischte sich mit der Rechten über den Mund. »Wollen Sie mich reinlegen? Hat mich eine Tussi angezeigt? Herrjeh, das ist lange her. Ich war nett zu ihnen. Kommen Sie mir jetzt nicht mit Freiheitsberaubung oder irgend so einem Mist.«
Ann Kathrin schob ihm die drei Hunderterfetzen herüber, um ihn zu beruhigen.
»Ich will nichts von Ihnen. Nichts, was Sie hier sagen, werde ich gegen Sie verwenden.«
Er lachte, knüllte die Hunderter wie ein Papiertaschentuch zusammen und sagte: »Geht der Spruch nicht eigentlich ganz anders?«
»Mich interessieren Namen, andere Freunde Ihres Bruders. Wer war noch dabei?«
Er aß nachdenklich, ohne zu schmatzen, den Rest seines Kuchens und kratzte die Sahne vom Teller. »Sie sind gar keine Polizistin, stimmts?«, fragte er nach gebührlicher Bedenkzeit.
Ann Kathrin antwortete nicht.
Harry Stämmler fuhr fort: »Sie wollen an die Beute.«
Einer Intuition folgend, nickte Ann Kathrin und sah sich nach rechts und links um, als befürchte sie, belauscht zu werden.
»Halbe-Halbe«, forderte er und sah sie sehr cool an.
»Sechzig-Vierzig«, schlug Ann Kathrin vor. »Aber nur, wenn Sie gute Informationen haben.«
Er lehnte sich lächelnd zurück. Seine Augen glänzten, als sähe er die Geldscheine bereits vor sich.
»Die haben sich ziemlich
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