Ostfriesensünde
hat Ann prophezeit.«
»Was?«, fragte Huberkran, dem das Durcheinander nicht gefiel, unwirsch. Er war andere, diszipliniertere Fallbesprechungen gewöhnt.
»Ann hat gesagt, er will, dass sie sich wie ein Embryo fühlen. Sie vermutet, die Frauen haben abgetrieben und er will sie bestrafen oder … «
Huberkran verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ist so der Mythos Ann Kathrin Klaasen entstanden?«
»Wie, was?«
»Hast du jedes Mal, wenn sich eine Lösung für einen Fall
andeutete, behauptet, Ann Kathrin hätte es schon vorher gewusst?«
»Nein, ich … wie kommst du denn dadrauf?«
So, wie Huberkran guckte, war die Sache für ihn glasklar.
»Rupert hat mir sofort erzählt, dass da viel Show dabei ist. Sie heimst die Lorbeeren ein, für die andere sich abgerackert haben.«
Weller zitterte fast vor Empörung. Wie konnte sein Freund so etwas behaupten?
Der italienische Kollege mit dem akzentfreien Deutsch fragte jetzt schon zum dritten Mal nach dem Namen des Frauenarztes, den er Gynäkologe nannte. Da Weller und Huberkran so sehr mit sich selbst beschäftigt waren, griff Giovanni Stagioni Huberkran ans Jackett.
Weller stieß ihn weg. »Lassen Sie uns in Ruhe, verdammt!«
»He, he, he! Wir suchen einen Serienmörder. Schon vergessen?«, fragte Giovanni Stagioni, und seine braunen Augen öffneten sich weit, als wolle er seine Kollegen einladen, darin schwimmen zu gehen. Dabei kam er vielleicht bei Adriatouristinnen gut an, bei Weller und Huberkran aber ganz und gar nicht.
Huberkran klopfte die Stelle an seiner Kleidung, die Stagioni berührt hatte, aus, als habe er dort einen Mehlfleck.
»Rupert hat dir diesen Mist erzählt?! Rupert?! Ausgerechnet!«, keifte Weller.
»Reg dich ab. Wer versucht mir denn hier gerade einen Bären aufzubinden? Du behauptest doch allen Ernstes, nachdem ich Ruperts Ermittlungsergebnisse bekannt gegeben habe, deine Ann Kathrin habe es schon vorher gewusst.« Huberkran klatschte sich mit der rechten Hand gegen die Stirn. »Für wie blöd hältst du mich eigentlich?«
»Sie hat es wirklich vorhergesagt. Es erschien mir nur so … so schwer kommunizierbar. Dann habe ich einen Weg
gesucht, wie ich … wie ich die Sache hier einfließen lassen könnte … «
Huberkran zerrte an seiner Blümchenkrawatte. »Das wird ja immer schöner! Jetzt suchst du schon einen Weg, wie du uns die Erkenntnisse der Ausnahmepolizistin beibringen kannst, weil das für uns alle natürlich viel zu hoch ist! Wir sind ja nicht solche Intelligenzbestien.«
Weller nickte vielsagend und wendete sich ab. »Ach so, ich verstehe.«
Huberkran packte ihn bei der Schulter und riss ihn herum. »Was verstehst du, Schlaumeier?«
»Du hast wieder eine SMS von deiner Frau gekriegt. Stimmts? Sie macht dich fertig und bringt dich so auf die Palme!«
Giovanni Stagioni versuchte es noch einmal: »Der Name! Der Name wäre hilfreich, Kollegen.«
Jetzt blafften ihn Huberkran und Weller gleichzeitig an: »Schnauze!«
Stagioni reichte es. Er ging. Die meisten seiner Kollegen standen sowieso schon telefonierend auf dem Flur oder waren autistisch mit ihren Laptops beschäftigt.
Zunächst dachte Judith Harmsen, endlich habe jemand Ansgar geglaubt und sei gekommen, um sie zu befreien. Da war ein Schaben auf dem Boden. Dann ein Poltern von Steinen.
Sie schöpfte Hoffnung und schrie: »Hier! Ich bin hier! Mein Name ist Judith Harmsen! Ich bin hier hinter der Wand!«
Sie schlug dagegen, sie tat alles, um Lärm zu machen. Aber dann musste sie erkennen, wer immer hinter der Mauer war, er würde ihr nicht helfen.
Sie presste ihr rechtes Ohr gegen die Wand. Dann das linke. Sie kannte das Geräusch, wenn die Steine schmatzend in den Mörtel gedrückt wurden. Sie kannte es nur zu gut.
Fast gleichzeitig mit der SMS von Weller kam auch eine E-Mail von Ubbo Heide bei Ann Kathrin an.
Weller simste:
Akki ist heiße Spur. Tod durch Kopfschuss.
Bei Ubbo Heide las sich das Ganze korrekter, klinisch sauber:
Achim Kowalski, geboren am 12 . 08 . 1970 in Gelsenkirchen, mehrere Verurteilungen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und zahlreicher Körperverletzungen. Kam 1996 bei einem Autounfall ums Leben. Der gestohlene Wagen kam auf der Schwäbischen Alb von der Spur ab, stürzte eine Böschung hinab und brannte komplett aus. Achim Kowalski hatte zu dem Zeitpunkt eine Mischung aus Amphetaminen und anderen psychotropen Substanzen, z.B. XBA 173 , das sich noch im Test befindet, im Blut. Es handelt sich um ein Mittel,
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