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Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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also Steins Tochter?«
    Ann Kathrin stellte die Gegenfrage: »Warum sind Sie zu den ersten beiden Treffen nicht gekommen?«
    »Ich hatte Angst. Ich will nicht, dass alles wieder von vorne losgeht. Ihr Vater und all diese Männer haben mich zu einem wehrlosen Gebrauchsgegenstand gemacht.«
    »Sie haben es versucht.«
    »Nein, sie haben es geschafft. Ich habe nur noch funktioniert, wie eine Maschine. Mein Therapeut in der Klinik hat gesagt, ich hätte alle Gefühle in mir abgetötet, um zu überleben. Man kann nämlich nicht nur ein störendes Gefühl unterdrücken. Man unterdrückt immer auch andere mit. Bei mir war am Ende alles weg.«
    Sie zeigte ihre Unterarme, die von Schnitt- und Brandwunden entstellt waren.
    »Haben die Männer Ihnen das angetan?«, fragte Ann Kathrin.
    »Nein. Das war ich selbst, um überhaupt noch etwas von mir zu spüren.«
    Eine Weile schwiegen die Frauen. Ann Kathrin versuchte, Kim 12 ins Gesicht zu schauen, hielt aber dem Blickkontakt nicht lange stand.
    »Leben Sie jetzt in einer glücklichen Beziehung?«, fragte Ann Kathrin und schalt sich selbst, weil sie fand, dass ihr so eine Frage gar nicht zustand. Es war doch nur der plumpe Versuch, der Sache eine positive Wendung zu geben.
    Wie im Märchen, dachte sie, Hauptsache, am Ende wird alles gut. Kinderträume. Erwachsenenlügen.
    »Nein«, sagte Kim 12 . »Ich kann nicht mehr mit einem Mann zusammenleben. Ich habe es versucht. Es geht nicht. Ich weiß, es gibt auch gute, aber ich hatte zu viele von den anderen. Wenn ich
einen Mann lieben will, wenn ich es schaffe, ihn an mich heranzulassen, dann sehe ich plötzlich nicht mehr ihn, sondern ich sehe Boris oder Stenger oder … eines der anderen Schweine.«
    Sie machte mit den Händen abwehrende Gesten, als ob diese Männer jetzt hier im Auto wären und sie bedrängen würden.
    Ann Kathrin verhielt sich ganz ruhig. Schließlich legte Kim 12 beide Hände wieder aufs Lenkrad und sprach wie in Trance weiter. Dabei sah sie durch die schmutzige Windschutzscheibe in den mausgrauen Gelsenkirchener Himmel, als könnte sie hinter den Wolken noch etwas sehen. Etwas, das für andere Menschen unsichtbar war.
    »Sie haben mich nicht eingefangen. Ich bin freiwillig zu ihnen zurückgegangen. Ich wusste ja nicht, wohin. Ich kannte keinen Menschen in Deutschland. Ich wusste nicht einmal, ob ich mich strafbar gemacht hatte, und ich besaß keine Papiere. Die lagen bei Stenger im Safe. Der händigte sie nach Bezahlung dem neuen Besitzer aus. Ich ging zurück zu Stenger, auch weil ich Angst hatte, sie würden sich sonst das Geld von meinem Vater holen.«
    Sie registrierte Ann Kathrins Blick aus Entsetzen und Unverständnis.
    »Was sollte ich denn machen? Ich war froh, dass Stein mir eine neue Chance gab. Ich versprach ihm, für den neuen Kunden stumm zu sein. Der hatte aber schon eine andere stumme Frau gefunden, deshalb blieb ich zunächst bei dem Anwalt.«
    Ann Kathrin fragte sich, ob die andere Frau wirklich stumm gewesen war oder auch nur so getan hatte als ob. Die ganze Geschichte mit dem Kunden, der eine stumme Frau wollte, machte sie wütend. Sie bemühte sich, die Wut zu unterdrücken. Sie befürchtete, Kim 12 könnte glauben, der Zorn sei gegen sie gerichtet.
    »Ich dachte erst, der Anwalt, das ist ein gebildeter Mensch. Der steht für das Recht ein und … Aber Heiko war ein Teufel.
Er liebte es, Menschen zu demütigen und zu bestrafen. Wenn er seinen Gürtel aus der Hose zog, dann bin ich schon vor Angst halb verrückt geworden, habe gejammert und gefleht. Er hat dann gelacht. Meine Angst hat ihm Spaß gemacht. Natürlich fand er schnell heraus, dass ich gar nicht stumm war. Das hat er benutzt, um mich zu erpressen. Seine Lieblingsdrohung war,
ich bringe dich als geheilt entlassen zu Stenger zurück.
Er versprach mir, dort würde ich dann richtig stumm gemacht.«
    »War das nur eine Drohung oder … «
    »O nein, das hat Heiko ernst gemeint. Die haben Frauen stumm gemacht.«
    Jetzt wurde das Schauermärchen Ann Kathrin eine Spur zu dick. Alles in ihr wehrte sich. Wenn das hier falsch war, dann stimmte vielleicht auch vieles andere nicht. War alles übertrieben? Wollte Kim 12 sich interessant machen?
    »Ich kann mir diesen Anwalt ja mal vorknöpfen. Wie hieß er?«
    Dann fiel ein Name, der Ann Kathrin zusammenzucken ließ. Kim 12 sagte klar und deutlich »Heiko Käfer«, aber Ann Kathrin kam es vor, als würde sie nuscheln und man könnte den Namen unmöglich richtig verstehen.
    »Wie hieß der? Heiko

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