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Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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wie …?«
    »Käfer. Er sah aus wie ein Elefant, aber er hieß Käfer. Heiko Käfer.«
    Ann Kathrin sah ihn sofort wieder vor sich, mit seiner thailändischen Frau. Sie versuchte, sich daran zu erinnern, ob die Frau bei dem Treffen auf Spiekeroog etwas gesagt hatte. Sie schämte sich, weil sie es nicht wusste. Hatte sie Täter und Opfer gegenübergestanden und es nicht bemerkt? Hatte sie sich so sehr über Käfer geärgert, dass die fünfundzwanzig Jahre jüngere Frau in Vergessenheit geriet? War das nicht oft so, dass die Täter so viel Aufmerksamkeit auf sich zogen, dass die Opfer darüber vergessen wurden?
    Es begann zu regnen. Ein kurzer, aber heftiger Schauer. Die Tropfen prasselten aufs Autodach, und Ann Kathrin und Kim 12 befanden sich plötzlich im Inneren eines metallenen Klangkörpers, auf den der Regen ein Musikstück trommelte.
    Ein Radfahrer kam nah am Ford vorbei. Sein Gesicht verschwand völlig in der Kapuze. Bevor der Radfahrer abbog, hielt er noch einmal kurz an und blickte zu den Frauen im Ford.
    Ann Kathrin versuchte, ihre Gedanken zu ordnen und sich wieder ganz auf Kim 12 zu konzentrieren.
    »Käfer. Das ist ja ein Ding. Hat der so gelbe Augen?«
    »Ja, wie eine Schlange, dachte ich immer. Kranke Augen. Hoffentlich stirbt er bald, habe ich oft gedacht. Hoffentlich. Manchmal, wenn er mich geschlagen hat oder immer weiter rammeln wollte wie ein Kaninchen, dann habe ich gehofft, er hält es nicht aus und kriegt einen Herzinfarkt. Er hatte oft so einen roten Kopf. Er nahm viele Pillen. Ein Viagrajunkie. Schrecklich. Aber er ist leider nicht gestorben. Stattdessen bin ich im Krankenhaus gelandet. Ich bin ganz verrückt geworden von alldem, und einmal, als es besonders schlimm war, bin ich vor ihm geflohen. Er hat mich mit seinem Lederriemen durchs Haus gejagt. Ich bin dann durch die Glastür gefallen. Der hatte in der Küche so eine Glastür. Im Krankenhaus haben sie mich in die Psychiatrie gebracht. Da saß ich dann ohne Geld, mit einem Visum, das langsam ablief, und er wollte mich nicht zurücknehmen.«
    Ann Kathrin war als Kommissarin einiges gewöhnt, aber diese Geschichte traf sie härter als gewöhnliche Opfererzählungen. Warum hatte ihr Vater das Leid dieser Frau mit der absurden Idee verlängert, sie solle so tun, als ob sie stumm sei? War es das Danteske in ihm, das da zum Durchbruch kam? Die Hölle? Der Abgrund? Oder war es irgendein Ermittlertrick? Aber bei allem guten Willen konnte sie keine Rechtfertigung für so ein Verhalten finden. Das war durch keine noch so großzügige
Auslegung der Vorschriften gedeckt und es ergab auch keinen Sinn.
    »Sie kennen das Schwein?«, stellte Kim 12 fest und fügte gleich hinzu: »Ich werde nicht gegen ihn aussagen. Gegen ihn nicht und auch sonst gegen niemanden. Ich weiß gar nicht, warum ich Sie überhaupt treffe.«
    »Ich brauche Namen. Wer war noch dabei?«
    Kim 12 schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Sie wollen doch nur eine Zeugin für eine Anklage, und ich bin doch nicht lebensmüde. Ich habe all das überlebt und jetzt will ich nicht mehr in die Schusslinie geraten. Ich hatte gehofft, Sie würden … « Sie sprach nicht weiter.
    »Sie erwarten eine Entschädigung?«
    »Steht mir die nicht zu?«
    »Ich weiß nicht einmal Ihren richtigen Namen. Sie könnten sich das auch alles zusammengereimt haben.«
    Kim 12 hob wieder ihre Arme hoch und zeigte ihre Wunden vor. »Das hier? Zusammengereimt?«
    »Wenn jemand vor Gericht nicht aussagen will, dann zweifle ich am Wahrheitsgehalt der Behauptungen.«
    »Sie können auch aussteigen.«
    Ann Kathrin blieb sitzen, sie konnte aber Kim 12 nicht länger ansehen. Die ganze Frau bebte vor Abscheu und Wut.
    Ann Kathrin betrachtete zwei Regentropfen, die an der Scheibe parallel herunterrollten und sich dann, ihre Bahn geringfügig verändernd, zu einem kleinen Fluss vereinten. Der Regen tat den Scheiben gut, reichte aber nicht aus, den alten, verkrusteten Schmutz wegzuspülen.
    »Ich suche im Grunde dasselbe wie Sie: Gerechtigkeit«, sagte Ann Kathrin.
    Kim 12 protestierte: »O nein! Sie suchen den Mörder Ihres Vaters und wollen sein Bild reinwaschen. Ich suche Gerechtigkeit, ja, das stimmt. Ich warte darauf, dass jemand kommt und
sagt: Tut mir leid. Man hat Ihnen Unrecht getan. Kann ich das irgendwie wiedergutmachen?«
    Ann Kathrin spürte durchaus den Impuls in sich, der Frau ein paar Tausend Euro anzubieten. Ja, Frank würde vermutlich wenig Verständnis dafür haben, weil er ständig Geldsorgen hatte, aber sie

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